Gastkommentar

Hat Orbán Angela Merkel verloren?

Eine deutsche Initiative zum Thema Rechtsstaatlichkeit stößt Ungarns Regierung vor den Kopf.

Deutschland will seine EU-Ratspräsidentschaft (bis Ende 2020) nutzen, um das größte Problem der europäischen Politik zu lösen: das endlose Gezerre um einen „Rechtsstaatlichkeitsmechanismus“. Dabei geht Berlin offenbar mit Rücksicht auf, aber ohne Abstimmung mit Ungarn voran. In Budapest ist man deswegen besorgt. So viel Geld wie noch nie und erstmals eine gemeinsame Verschuldung sollen der EU einen Weg in die Zukunft bahnen. Das geht nur, wenn ein scheinbar unüberbrückbarer Interessengegensatz überbrückt wird. Die ostmitteleuropäischen Länder lehnen jede Koppelung der Gelder an einen „Rechtsstaatsmechanismus“ ab. Die sogenannten Sparsamen Fünf bestehen aber darauf.
Berlin versucht es allen recht zu machen.

Die deutsche Ratspräsidentschaft unterbreitete am 28. September einen Textentwurf, der zwar einen Rechtsstaatlichkeitsmechanismus erwähnt, aber kaum einer ist. Darin werden Sanktionen gegen Mitgliedsländer in Aussicht gestellt, die gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstoßen. Aber nur wenn diese Verstöße „in ausreichend direkter Weise“ nachgewiesen werden können. Es ist inhaltlich das, was die Regierungen in Warschau und Budapest wollten: ein fiskalischer Kontrollmechanismus. Gestrichen wurde im Text, was Polen und Ungarn gestrichen haben wollten: die Formulierung „general deficiencies“ in Sachen Rechtsstaatlichkeit. Sie rügen, dass dies eine Gummiformel sei, die als politische Waffe missbraucht wurde. Verbal enthält der Text aber auch das, was die liberalen Nordeuropäer wollen: den Hinweis auf „Rechtsstaatlichkeit“ und einen „Mechanismus“. Dennoch sind beide Lager empört.

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