Quergeschrieben

Kommode Chefsessel unter weißen Hintern

In einer politisch korrekt gereinigten, schönen neuen Kunstwelt herrscht das Reine und Wahre. Aber Museen sind keine Safe Spaces, sondern Orte der Erschütterung.

Feigheit und Bigotterie lassen sich derzeit trefflich als Political Correctness schönschminken. Jüngstes Beispiel: Die Direktoren der National Gallery in Washington, der Museen of Fine Arts in Boston und Houston sowie der Tate Modern in London (zwei Frauen, zwei Männer zwischen Mitte fünfzig und siebzig, weiße Upperclass) haben eine seit fünf Jahren in Vorbereitung befindliche Retrospektive von Philip Guston gecancelt. Und, mit ängstlichem Blick auf Black Lives Matter, auf frühestens 2024 verschoben. Dann, so ihr Gemeinschaftsblabla, könne „die machtvolle Botschaft sozialer und Rassengerechtigkeit, die im Kern seines Werkes steckt, deutlicher interpretiert werden“. Ernsthaft? Philip Guston ist seit vierzig Jahren tot. Wäre also ausreichend Zeit gewesen, ihn und sein Werk gründlich zu erforschen, statt mit vagen Rassismusvermutungen schwerst zu beschädigen. US-amerikanische Kunstschaffende, Kuratoren, Kritiker verurteilen in einem Protestbrief die Vorgangsweise der Museumsbosse, internationale Kollegen schließen sich an, hoffentlich auch aus Österreich. Dass Guston, unbeirrt von herablassenden Urteilen zeitgenössischer Kritikerpäpste, mit aller Wucht und subversiver Ironie gegen Rassismus und Antisemitismus anmalte, wird nämlich jedem sonnenklar, der sich auch nur peripher mit Gustons Kunst und Leben beschäftigt.

Geboren wurde er als Philip Goldstein 1913 als jüngstes Kind russisch-jüdischer Flüchtlinge. 1919 übersiedelte die Familie nach Los Angeles, wo sich der Vater wenige Jahre später erhängte. Leid, Rassismus, Antisemitismus waren Gustons Begleiter von Kindesbeinen an, sie prägten sein linksliberales Engagement – und seine Kunst. In den 1930er-Jahren zerstörten Ku-Klux-Klan-Mitglieder Bilder seiner Ausstellung.

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