Kolumne zum Tag

Der Mensch von morgen will seinen Swimmingpool

Die Presse (Clemenens Fabry)
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Die Pandemie lässt Erklärbären ihre an der Wirklichkeit gescheiterten Hoffnungen über den Umbau der Gesellschaft in vermeintliche Gewissheiten ummünzen.

Es war einmal eine Zeit, knapp nach dem ersten großen Ausbruch der Pandemie, da herrschte eine betörende Euphorie in manchen Seelen. Klar, ganz schlimm, die vielen Intensivpatienten und Toten, aber andererseits: endlich wieder Gelegenheit, von der Welt danach zu träumen! Allerorten münzten Erklärbären und sonstige Schlaunasen ihre lang gehegten und bisher an der Wirklichkeit gescheiterten Hoffnungen über den Umbau der Gesellschaft in vermeintliche Gewissheiten um. Wir würden den Segen des Lokalen neu entdecken! Das Fernreisen würde uns nun endgültig vergällt, Wanderurlaub und die neue Liebe zur heimatlichen Scholle (dem Boden, nicht dem Fisch) genügten uns nun zur Entspannung!

Sogar Menschen, die dank der Massenkonsum- und Spaßgesellschaft zu Ruhm und Reichtum gekommen waren, erlebten Damaszener Bekehrungen, ganz ohne geblendet vom Ross zu stürzen. Arnold Schwarzenegger beispielsweise erklärte jüngst, die Corona-Rezession sei eine „großartige Gelegenheit“, die zerstörten Teile der Volkswirtschaften mit sauberen Energieformen neu aufzubauen.

Aber wie schlagen all diese Prophezeiungen von einer „anderen“ Welt in der tatsächlichen auf, die wir bewohnen? Vorige Woche musste ich bei der Lektüre der Tageszeitung „La Libre Belgique“ kurz lachen. Auf einer Doppelseite wurde wortreich dargelegt, wie die Belgier sich gefälligst auf ihre dekarbonisierte Zukunft vorzubereiten hätten. Auf der nächsten Seite wiederum war zu lesen, dass die Zahl der privaten Swimmingpools im Lande heuer enorm zugenommen hat. Die müssen natürlich beheizt werden, versiegeln den Boden, und mehrheitlich stammen sie als Fertigteilset aus Fernost oder den USA. Ist das nachhaltig?

Vielleicht sollten die publizistischen Propheten mehr mit den Leuten von heute Umgang pflegen, bevor sie über den Menschen von morgen dozieren. Denn der, dünkt es mich, will lieber ein eigenes Schwimmbecken hinterm Haus, statt die dekarbonisierte Wende einzuleiten.

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