Die Coronakrise liefert den Vorgeschmack darauf, wovor Putin am meisten graut. Die Welt braucht immer weniger Öl. Russland aber hängt von dessen Export ab. Eine neue Prognose verheißt nichts Gutes.
Das Coronavirus hat zu vielem auf der Welt geführt. In den Ölförderstaaten aber hat es eine erste Ahnung davon geliefert, was passiert, wenn die Menschheit immer weniger Öl braucht. Um fast ein Drittel ist die Nachfrage im April laut Internationaler Energieagentur aufgrund des Lock-Downs eingebrochen und damit so stark wie nie zuvor. Das riss den Preis für die in Europa maßgebliche Norseesorte Brent, die zuvor noch 70 Dollar je Barrel gekostet hatte, auf zwischenzeitlich deutlich unter 20 Dollar. Russland, zweitgrößter Förderer, verdiente zwischen Januar und Juli im Jahresvergleich um 37,7 Prozent weniger aus dem Ölexport, bei Gas war es ein Rückgang um 51,4 Prozent. Vor allem bei Öl sei die Situation dramatisch, sagen Experten, da seine Bedeutung fürs Land etwa vier Mal größer sei als bei Gas.
Nun sind 40 Dollar je Barrel für Russland mit seinen geringen Staatsschulden und seinen knapp 600 Milliarden Dollar an internationalen Gold- und Währungsreserven eine Zeit lang verkraftbar – wenn es denn Aussicht auf Besserung gäbe. Allein, wenn stimmt, womit der Ölkonzern BP eben aufwartete, der in Russland aufgrund seiner Fünftelbeteiligung am staatlichen Ölgiganten Rosneft gut gelitten ist und dessen Prognosen in der Branche generell Beachtung finden, so muss dies für einen neuen Schrecken im Kreml gesorgt haben.
Die globale Ölnachfrage, so BP in seinem „World Energy Outlook 2020“, werde sich nach Corona nie mehr richtig erholen. Selbst im ökologisch unambitionierten Szenario gehe sie wegen der Verbreitung erneuerbarer Energiequellen bis 2050 leicht zurück. Beim ambitionierteren Szenario werde sie sich auf täglich 55 Mio. Barrel fast halbieren, beim Radikalszenario um zwei Drittel auf 30 Mio. Barrel einbrechen.