Eine französische und eine US-amerikanische Biochemikerin bekommen den Preis für die Entwicklung eines "Werkzeugs, um den Code des Lebens neu zu schreiben“ - die Genschere CRISPR/Cas9.
Der Nobelpreis für Chemie 2020 geht an die beiden Biochemikerinnen Emmanuelle Charpentier (Frankreich) und Jennifer Doudna (USA). Wie die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm bekannt gab, erhalten sie die Auszeichnung "für die Entwicklung einer Methode zur Bearbeitung des Genoms" - konkret die Genschere CRISPR/Cas9.
Als "Werkzeug, um den Code des Lebens neu zu schreiben" beschrieb das Nobelkomitee die von Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna entwickelte Genschere CRISPR/Cas9. Mit ihr könnten Forscher die DNA von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen mit höchster Präzision verändern. "Diese Technologie hat einen revolutionären Einfluss auf die Biowissenschaften gehabt, sie trägt zu neuen Krebstherapien bei und könnte den Traum von der Heilung von Erbkrankheiten wahr werden lassen."
"In diesem genetischen Werkzeug steckt eine enorme Kraft, die uns alle betrifft. Es hat nicht nur die Grundlagenwissenschaft revolutioniert, sondern hat auch zu innovativen Nutzpflanzen geführt und wird zu bahnbrechenden neuen medizinischen Behandlungen führen", erklärte Claes Gustafsson, Vorsitzender des Nobelkomitees für Chemie.
Zu wenig Karriereperspektiven in Wien?
Charpentier, Direktorin am Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, arbeitete von 2002 bis 2009 an der Uni Wien bzw. den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) der Uni Wien und der Medizinischen Universität Wien, wo sie einen relevanten Teil der Entwicklungsarbeit für die Genschere durchführte. Die Forscherin meinte einmal, sie habe einen "Heureka-Moment" in Wien gehabt, wie die Genschere funktioniert. Unter anderem mangels Karriereperspektiven in Wien wechselte sie aber 2009 an die Universität Umea (Schweden). 2012 veröffentlichte sie mit Doudna, die an der University of California in Berkeley (USA) arbeitet, die Anleitung für den Schneidemechanismus im Fachjournal "Science".
Seither sei der Gebrauch "eines der schärfsten Werkzeuge der Gentechnologie", so das Nobelkomitee, explodiert. Es habe zu vielen wichtigen Entdeckungen in der Grundlagenforschung beigetragen, Forscher seien in der Lage, Nutzpflanzen zu entwickeln, die Schimmel, Schädlingen und Dürre widerstehen. In der Medizin würden klinische Versuche mit neuen Krebstherapien laufen, und der Traum, Erbkrankheiten heilen zu können, stehe kurz vor seiner Erfüllung. "Diese genetische Schere hat die Biowissenschaften in eine neue Epoche geführt und bringt in vielerlei Hinsicht den größten Nutzen für die Menschheit", betonte man in Stockholm.
Die Nobelpreis-Woche
In dieser Woche wurden bereits mehrere Preisträger benannt: Am Montag gab das Komitee bekannt, dass zwei US-Amerikaner und ein Brite sich den Medizin-Nobelpreis teilen werden – für Arbeiten über das Hepatitis-C-Virus. Interessant: Es ist ein Virus, gegen das es keine Impfung gibt.
Am Dienstag wurde mitgeteilt, dass der Nobelpreis in Physik heuer Forschung über Theorie und Realität Schwarzer Löcher belohnt: Monster der Schwerkraft, auch im Herzen unserer Galaxie. Eine Hälfte geht an den berühmten Mathematiker und Buchautor Roger Penrose, die andere an Astrophysiker Reinhard Genzel und Astronomin Andrea Ghez.
Am Donnerstag wird dann die Nachfolge von Peter Handke als aktueller Literaturnobelpreisträger gekürt. am Freitag folgt dann der - immer mit besonderer Spannung erwartete - Friedensnobelpreis.
Den Abschluss bildet am kommenden Montag die Auszeichnung für Wirtschaftswissenschaften. der einzige Preis in der Reihe, der nicht direkt auf das Testament von Dynamit-Erfinder Alfred Nobel zurückgeht. Er wird vielmehr seit Ende der 1960er Jahre von der schwedischen Zentralbank gestiftet und gilt somit nicht als klassischer Nobelpreis. Die Übersetzung der schwedischen Bezeichnung: Preis der Schwedischen Reichsbank in Wirtschaftswissenschaft zur Erinnerung an Alfred Nobel.
(rovi)