Die Wettquoten zum Literaturnobelpreis

Maryse Condé - die Quoten sehen sie ganz vorne.
Maryse Condé - die Quoten sehen sie ganz vorne.
  • Drucken

Fast 200 Kandidaten sind nominiert, den Quoten zufolge wird am Donnerstag eine Frau siegen. Doch die Akademie entscheidet wahrlich nicht immer so, wie angenommen wird.

Am Donnerstag wird die Nachfolge von Peter Handke als aktueller Literaturnobelpreisträger gekürt: Fast 200 Kandidaten sind in diesem Jahr im Rennen für den prestigeträchtigsten Literaturpreis der Erde. Geht es nach den Wettquoten, haben drei Nicht-Europäer die Nase vorn: Beim britischen Wettanbieter Nicerodds hat die aus Guadeloupe stammende Autorin Maryse Condé die besten Chancen, dicht gefolgt von ihrer russischen Kollegin Ljudmila Ulitzkaja und dem Japaner Haruki Murakami. Alle drei waren auch in den vergangenen Jahren immer wieder ganz oben in den Wettquoten aufgetaucht.

Gleichauf mit Murakami ist bei den Quoten die Kanadierin Margaret Atwood.  Dann folgt der Kenianer Ngugi Wa Thiong'o. Eine wirkliche Überraschung findet sich auch auf den Plätzen abseits der ersten Reihe nicht, wo sich Anne Carson, Javier Marias und Ko Un ex aequo tummeln. Auf den hinteren Plätzen werden Friederike Mayröcker (vor Hilary Mantel und Karl Ove Knausgård), aber auch Michel Houellebecq, Milan Kundera und Stephen King Chancen eingeräumt.

Wobei man sagen muss: Die Wettanbieter sahen Peter Handke vergangenes Jahr nicht im Spitzenfeld. Und die Akademie entscheidet wahrlich nicht immer so, wie angenommen wird. Oft sind die Entscheidungen überraschend bis umstritten.

Handke - ein ausgestreckter Mittelfinger?

Vergangenes Jahr kürte die altehrwürdige Institution in Stockholm zwei Autoren - neben Olga Tokarczuk bekanntermaßen Peter Handke, womit sie sich einige Kritik zuzog. "International betrachtet ist das eine mindestens mittelgroße Krise gewesen", sagt der Kulturchef der schwedischen Tageszeitung "Dagens Nyheter", Björn Wiman. Ein Jahr nach dem Skandal um das mittlerweile ausgetretene Akademiemitglied Katarina Frostenson und ihren Ehemann Jean-Claude Arnault sei die Akademie von der einen Krise in die andere gestolpert, indem der Preis an "einen ungeheuer kontroversen Schriftsteller" gegangen sei. Wiman glaubt, dass das vonseiten der Akademie letztlich ein ausgestreckter Mittelfinger in Richtung ihrer Kritiker und der Medien gewesen sei.

Mittlerweile hat sich die Lage bei der Schwedischen Akademie beruhigt. "Ich glaube, dass sie eine sichere Wahl treffen werden", sagte er. 197 nominierte Kandidaten kommen dafür in diesem Jahr infrage. Laut Akademie sind darunter 37, die zum ersten Mal nominiert worden sind.

Wer auf der Liste steht und wer am Ende den prestigeträchtigsten Literaturpreis der Erde mitsamt einem Preisgeld von diesmal zehn Millionen Kronen (rund 950.000 Euro) erhalten wird, darüber lässt sich wie üblich nur spekulieren: Die Namen werden traditionell für 50 Jahre geheimgehalten.

Thomas Pynchon? Nuruddin Farah?

An potenziellen Preisträgern mangelt es wie so oft nicht. "Man müsste eigentlich immer viele Nobelpreise vergeben", sagt der deutsche Literaturkritiker Denis Scheck. Er persönlich hält zunächst vor allem einen für preisverdächtig. "Ich vertrete seit vielen Jahren die Ansicht, dass Thomas Pynchon den Literaturnobelpreis nun wirklich verdient hätte", sagte Scheck. Er schätzt aber die Erfolgsaussichten für einen weißen US-Amerikaner als sehr gering ein. Eine Ehrung würde auch der Somalier Nuruddin Farah verdienen der viel mehr als nur ein Chronist des Bürgerkriegs in Somalia sei, sondern zu den ganz großen Schriftstellern zähle.

Verdient habe es auch der US-Autor Richard Ford, der ihn von Buch zu Buch immer mehr überzeuge und psychologische Raffinesse mit stilistischer Brillanz verbinde. Und dann wäre da noch Margaret Atwood, die schon seit längerem immer wieder für den Nobelpreis gehandelt wird. Auch "DN"-Kulturchef Wiman sieht in Atwood eine gute Wahl. Seine Hauptfavoritin ist aber eine andere. "Ich denke, es sollte Jamaica Kincaid werden", sagt er. "Sie ist eine brillante Schriftstellerin und auch eine intellektuelle Person." Kincaid stammt von der Karibik-Insel Antigua und lebt in den USA. Unabhängig von allen Spekulationen ist sich Wiman nach der Wahl einer Polin und eines Österreichers im Vorjahr aber vor allem in einem sicher: "Es wird diesmal kein Preisträger aus Europa."

(red./APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.