Talk im Turm

Anschober zur Ampel: „Vielleicht war Grün das falsche Signal“

Die Presse/Rudolph Roland
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Der Kanzler und er seien „ganz unterschiedliche Typen", erklärte Minister Rudolf Anschober. Die Ampel sei aber erfolgreich, auch wenn man die Farbenwahl anders gestalten hätte können.

Seit Jänner arbeitet der Oberösterreicher als Gesundheitsminister in Wien. „Ich bin einer, der schön langsam nach Wien hereinwächst, aber von der Stadt habe ich noch nicht so viel mitgekriegt“, gestand Rudolf Anschober am Mittwochabend. Da traf es sich gut, dass der Grün-Politiker anlässlich der Diskussionsreihe „Gespräch im Turm“ Gast im Wiener Ringturm mit einem Rundblick auf die Stadt war.

Doch in Zeiten von Corona ging es bei der von der „Presse“ in Kooperation mit dem „Wiener Städtische Versicherungsverein“ abgehaltenen Diskussion natürlich nicht um Sehenswürdigkeiten. Sondern darum, wie Österreich inmitten der Virussaison durch den Herbst kommt. Moderator und „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak sprach dabei auch an, dass Anschober und Kanzler Sebastian Kurz in den vergangenen Wochen nicht immer einer Meinung gewesen sein sollen. „Wir sind ganz unterschiedliche Typen“, erklärte Anschober dazu. „Aber das ergänzt sich gut.“ Mal habe Kurz in bestimmten Bereichen strengere Maßnahmen setzen wollen, manchmal aber auch er selbst, sagte Anschober. Im Ergebnis gebe es aber immer eine gute Grundstimmung zwischen den beiden.

Doch zuletzt waren Regierungsprojekte in die öffentliche Kritik gekommen, etwa die Ampel oder die Corona-App. „Die App wird uns noch viel Freude bereiten“, versprach Anschober aber. Im Frühjahr habe die Debatte über eine möglicherweise für alle verpflichtende App dem Projekt sehr geschadet, analysierte der Minister. Aber „wir bauen sie jetzt neu auf“, versprach Anschober.

Das Video vom Gespräch:

Und wie geht es der Ampel, deren Sinn vielerorts nicht mehr verstanden wurde, weil neue Farben nicht neue Maßnahmen bedeuteten? „Die Ampel ist das unterschätzteste Projekt überhaupt“, meinte der Grün-Politiker. Er sei „völlig überrascht“ gewesen, dass es so scharfe Kritik gegeben habe. Es gehe um eine Vereinfachung der Risikosituation anhand von Farben. Und das sei gelungen.

Aber warum sind zuletzt zwei Experten aus der Corona-Kommission ausgeschieden? Sie seien nicht gewohnt gewesen, dass „geleakt wird, was du sagst“, meinte Anschober. Teilweise habe es in den Medien ja richtiggehend „Live-Ticker“ von den vertraulichen Beratungen in der Kommission gegeben. „Ich habe keine Ahnung, wie das passiert. Aber für einen Fachexperten ist das eine ungewohnte Situation, wenn du in der Auslage stehst“, meinte Anschober.

„Ich mische mich nicht ein“

Auch politischer Druck auf die Ampel-Kommission war kolportiert worden. Anschober schloss aber zumindest aus, dass er sich in die dortige Arbeit einmengt. „Ich mische mich nicht ein, das ist eine reine Fachkommission für mich“, sagte Anschober. Darum könne er zum Gerücht, dass Wien auf Rot gestellt werde, auch nichts Abschließendes sagen. Aber er selbst sehe keine Anzeichen dafür.

Apropos Farben: Dass man als unterste Sicherheitsstufe die Farbe Grün wählte, schien Anschober zu bereuen. „Vielleicht war Grün kommunikationstechnisch das falsche Signal“, meinte er. Denn Grün bedeute Freie Fahrt. Und Vorsicht sei bei dem Virus zu jeder Zeit angebracht gewesen.

Im Gegensatz zu anderen Politikern ist Anschober selbstkritisch. So entschuldigte er sich in der Vergangenheit auch für rechtlich fragwürdige Verordnungen. Ist das Entschuldigen inzwischen schon zur Masche des Ministers geworden? „Bei mir gibt es niemanden, der ein Drehbuch schreibt. Vielleicht würde ich aber den einen oder anderen Fehler nicht machen, wenn ich ein Drehbuch hätte“, entgegnete Anschober.

Publikum war in Zeiten wie diesen keines zugegen. User von diepresse.com konnten aber während der Live-Übertragung Fragen stellen. Wo stecke man sich in Wien am Ehesten an, wollte einer wissen. Kaum in öffentlichen Verkehrsmitteln, eher in Schulen oder bei Privatfeiern, sagte Anschober.

„In Wien stärker aufstellen“

Dass in der Hauptstadt bei der Corona-Bekämpfung Luft nach oben ist, ließ Anschober aber durchblicken. Zwar sei es in Großstädten immer schwieriger, aber Berlin, München oder Rom hätten bessere Werte. „Wir werden uns in Wien noch stärker aufstellen müssen“, sagte Anschober - etwa im Kontaktpersonen-Management und beim dortigen Tempo.

Apropos Wien: Der Minister sieht bei der Wahl am Sonntag eine Richtungsentscheidung zwischen Rot-Grün und Rot-Türkis. Anschober bewarb die rot-grüne Variante, die schon bisher „dieser Stadt so gut getan hat“.

So viel will der oberösterreichische Grün-Politiker dann doch schon in Wien gesehen haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2020)

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