Spaltpilze

Investition, Desinformation und Propaganda

Spaltpilze unter sich: Chinas Staatschef, Xi Jinping (l.), und sein russischer Kollege, Wladimir Putin.
Spaltpilze unter sich: Chinas Staatschef, Xi Jinping (l.), und sein russischer Kollege, Wladimir Putin.(c) Getty Images (Anadolu Agency)
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Wie China und Russland versuchen, wirtschaftlichen und politischen Einfluss in Europa zu bekommen – und wie sie damit auf Umwegen die Europäische Union schwächen wollen.

Wien. Piräus ist ein sehenswerter Vorort von Athen mit dem oft besungenen wichtigsten Hafen Griechenlands. Neuerdings glänzt dieser auch durch besonders gute wirtschaftliche Zahlen: 2019 wurden fast 15-mal so viele Containereinheiten wie 2008 verladen, und selbst im Frühjahr, als die Pandemie schon weltweit negative Auswirkungen zeigte, konnte der Hafen noch gute Umsätze verzeichnen. Für die griechische Regierung und für den Mehrheitseigentümer, den chinesischen Staatskonzern Cosco, eine finanzielle Win-win-Situation. Das war aber nicht immer so: 2016 willigte Premier Alexis Tsipras erst auf massiven Druck der Troika der internationalen Geldgeber ein, den Hafen an chinesische Investoren zu verkaufen.

Was für Athen und Peking gut ist, wird jedoch in Brüssel mit einiger Skepsis gesehen. Denn das Piräus-Engagement der Chinesen ist Teil einer Strategie: Mit hohen Investitionen in Europas Wirtschaft, die allerdings nicht mit Brüssel, sondern den einzelnen Staaten ausgehandelt werden, treibt China einen Keil in die EU, schwächt sie und sichert sich damit wirtschaftlichen und politischen Einfluss. Studien zufolge investieren Chinas Staatsfirmen derzeit jährlich mehr als 30 Mrd. Euro in Europa – und Athens Hafen ist dazu ein Einfallstor nach Europa, ganz im Sinne der Seidenstraßen-Strategie.

Know-how und Infrastruktur

Diesem Engagement liegt ein Masterplan zugrunde, und der sieht vor, im Westen der EU (Deutschland, Frankreich, Schweden, Italien) auf Einkaufstour zu gehen, um Know-how zu erwerben, und im Osten der Union langfristig in Infrastruktur zu investieren. Besonders deutlich zeigt sich das bei der Initiative 17+1. Dabei geht es darum, dass 17 zentral- und osteuropäische Länder (im Vorjahr trat auch Griechenland bei) mit einem Staat, nämlich China, Konzepte über künftige wirtschaftliche Zusammenarbeit erarbeiten und umsetzen. Ohne Brüssel. Zwölf dieser Länder sind EU-Mitglieder, die anderen fünf haben EU-Ambitionen.

Besondere Sorge bereitet der EU, dass China viel in Hochtechnologie investiert. Als Österreich im zweiten Halbjahr 2019 den EU-Vorsitz führte, vereinbarte die Kommission zusammen mit dem Europaparlament und den Mitgliedstaaten, dass ausländische Investitionen in kritische Infrastruktur künftig stärker kontrolliert und geprüft werden müssen. Was dann konkret geschieht, bleibt allerdings wieder den Staaten überlassen. Portugal und Zypern, wo chinesische Investoren zuletzt Milliarden mitbrachten, wehrten sich prompt gegen strengere Regeln.

Der chinesische Masterplan hat freilich noch ein anderes Ziel: politische Einflussnahme im Sinne Pekings. Indem man einzelne EU-Staaten wirtschaftlich unterstützt, ist die Chance groß, dass diese im Sinne Pekings argumentieren und damit die EU-Politik verwässert wird. So wurden in den vergangenen Jahren mehrmals China-kritische Erklärungen sowohl in der UNO als auch in der EU blockiert – von China wohlgesonnenen EU-Mitgliedern. Interessant ist auch die Haltung Italiens. Noch im Frühjahr ergab eine Umfrage, dass 52 Prozent China als Partner sehen, der Italien freundschaftlich zugewandt ist – noch vor Russland und den USA. Doch jetzt werden Stimmen laut, die China und seine ökonomischen Interessen sehr kritisch sehen.

Schlachtfeld Internet

Mittlerweile setzt Peking verstärkt auf ein weiteres Instrument zur Einflussnahme: das Internet. Mit gezielten Kampagnen wird dabei die Meinung über chinesische Politik beeinflusst oder EU-Politik schlecht gemacht. Allerdings sind die Attacken aus China nichts im Vergleich zu denen aus Russland. Auch wenn es von Präsident Wladimir Putin dementiert wird, hat Moskau am meisten Interesse an einer gespaltenen und schwachen EU. So werden soziale Medien für Desinformationskampagnen eingesetzt. Im Auswärtigen Dienst der EU in Brüssel wurde daher eine eigene Einheit geschaffen, die StratCom, die gegen die EU gerichtete Desinformation aufspüren und bekämpfen soll. Und die Cyber Cops wissen mittlerweile, dass sich die größte und aktivste Trollfabrik in einem Vorort von St. Petersburg befindet. Dort wird über Fake-Accounts Stimmung für russische Politik bzw. für Politik befreundeter Parteien gemacht und Desinformation verbreitet. Kurz vor der Europawahl 2019 waren die Hinweise auf Einflussnahme so groß, dass die zuständige EU-Kommissarin, Věra Jourová, eindringlich vor Desinformationskampagnen aus Russland warnte.

Moskau setzt aber auch auf direkte Finanzierungen für Staaten oder Parteien, um dort Russland-freundliche Politik zu fördern, die nicht der EU-Linie folgt. Auch so manche wirtschaftliche Großinvestition folgt diesem Drehbuch. Das spannendste Großprojekt ist derzeit wohl die Erdgaspipeline nach Europa, Nord Stream 2. Mit viel Aufwand wurde dabei versucht, die Stimmung unter den EU-Ländern zu beeinflussen, und viel Geld wurde in Lobbying gesteckt. Sicher ist jedenfalls, dass jene Länder, die sich gegen massiven Druck der USA wehren und weiter für das Projekt eintreten, von Moskau hofiert werden.

Der Kreml setzt aber auch weiter auf die klassische Propaganda – und Corona eignete sich da ganz besonders. Mit großem Pomp wurden im Frühjahr Militäreinheiten nach Italien entsandt, die medizinische Hilfsgüter mitbrachten, die die EU angeblich nicht imstande war zu liefern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2020)

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