Klassik

Mozart und der Zahn der Zeit

Im Konzerthaus brachte Daniel Ottensamer einen Schuss Lebendigkeit in ein allzu abgeklärt musiziertes Programm des Hagen-Quartetts.

In der Zielgeraden des „Stadler-Quintetts“ leistete sich sogar ein so diskreter Musiker wie der famose Wiener Klarinettist Daniel Ottensamer Anflüge von Temperament und Attacke. Mit diesem frechen Kehraus – wie er nur Mozart gegen Ende seiner Schaffenskraft einfallen konnte – war die ermüdende Grau-in-Grau-Stimmung etwas neutralisiert, mit welcher das Hagen Quartett Mozart im Mozart-Saal subtil zu Leibe rückte.

Nun könnte Mozarts Klarinettenquintett begründet einen Untertitel wie „Hohe Schule der Empfindsamkeit“ vertragen, denn da werden Abschiedsstimmungen, Vertrautheiten oder gar Intimes zu einem pikanten Cocktail gemixt.

Barkeeper Ottensamer versteht dafür wahrlich sein Geschäft: Wie auf Samtpfoten schleicht er mit katzenartigem Raffinement und behutsamer Tongebung durch eine Landschaft, die bereits die Grenzen der Wiener Klassik offenbart. Endzeit-Szenarien haben schon eine eigenartige Attraktivität. Die Hagens haben dazu nichts beizutragen als papierene Kulisse oder ein Panorama der Gelassenheit.

Abgeklärt im aspetischen Raum

Das einstige Salzburger Elite-Streichquartett ist in Ehren ergraut. Jahrzehnte hat es in der oberen Liga mitgemischt. Nun darf eine Art Abgeklärtheit bereits erlaubt sein. Diese spielt sich in einem aseptischen Raum ab, einem nüchternen Laboratorium, wo Stimmung, Spannung, Dialog, Aufregung, gar Attraktivität oder Sex eher Fremdworte sind. Alles klingt so schön und richtig, nur ergibt es nicht mehr ein Ganzes.

Mozarts Augenzwinkern, sein frivoler Humor bleiben somit leider draußen. Eine Kostbarkeit wie das G-Dur-Quartett, KV 387, aus der Haydn gewidmeten Reihe, droht in Larmoyanz unterzugehen. Mozarts kunstvolle Architektur bedarf einer glasklaren Fomulierung der Einzelstimmen – das Bemühen darum war immerhin zu spüren.

Kaum zu glauben, dass es bald 40 Jahre sind, dass im ersten Lockenhauser Jahr der Stern des Hagen Quartetts aufging. Zum Glück ist die Erinnerung daran noch ganz wach. Vitale Präsenz, Mut zum Risiko, eine von Intellekt wie Emotion gesteuerte Spielfreudigkeit ließen 1981 eine Weltkarriere erwarten. Ein Gutteil wertvoller CD-Aufnahmen kündet davon, dankenswerterweise vom Zahn der Zeit verschont.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2020)

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