Berichten zufolge sollen die Tiroler Behörden wesentlich mehr über den Ausbruch des Coronavirus in dem Wintersportort gewusst haben als offiziell mitgeteilt: Interne Kommunikation zeige, wie widersprüchlich gehandelt worden sei.
Der Tiroler Wintersportort Ischgl kommt auch über ein halbes Jahr nach dem dortigen Ausbruch der Coronavirus-Pandemie nicht zur Ruhe. Die Frage, wer zu welchem Zeitpunkt über das Ausmaß der Virusverbreitung informiert gewesen sein soll, treiben Medien und Politik nach wie vor um. Recherchen der ORF-Nachrichtensendung "ZiB 2" und des Wochenmagazins "Profil" sollen nun zeigen, dass die Tiroler Behörden über die Tragweite des Problems bereits früher als angenommen informiert waren. Das Land wies dies scharf zurück.
In den Berichten werden drei Beispiele herangezogen, die Informationen dafür stammen aus Akten, Mails und Krisenstabprotokollen. Am 5. März erfuhren die Behörden, dass 14 isländische Gäste nach ihrer Heimkehr positiv auf das Virus getestet worden waren. Der Bezirkshauptmann sei per E-Mail darüber informiert worden, dass die Isländer mit zwei Flugzeugen an zwei unterschiedlichen Tagen abgereist waren. Kurz darauf wurde eine Presseaussendung veröffentlicht, in der davon gesprochen wurde, dass die Ansteckung vermutlich im Flugzeug erfolgt sei - obwohl die Gäste in zwei unterschiedlichen Flugzeugen waren. Landecks Bezirkshauptmann, Markus Maaß, schrieb laut den Berichten in einer E-Mail an Landesamtsdirektor Herbert Forster: "Damit hätten wir Ischgl vorerst aus dem Schussfeld".
Wahrscheinlich „viele Krankheitsfälle“ durch „Kitzloch“
Weiters wurde ein Sitzungsprotokoll zu den Fällen in der Apres-Ski-Bar "Kitzloch" vom 8. März herangezogen. Ein Barkeeper war zuvor positiv getestet worden. Aus den Protokollen sei hervorgegangen, dass die Landessanitätsdirektion auf ein "hohes Risiko" verwiesen hatte, das vom Barkeeper ausging, sowie dass wahrscheinlich "viele Krankheitsfälle" in Zusammenhang mit der Bar zu erwarten seien. Am gleichen Tag teilte das Land unter Berufung auf die Landessanitätsdirektion mit, dass eine Übertragung des Coronavirus auf Gäste der Bar aus medizinischer Sicht "unwahrscheinlich" sei.
Ein weiterer Fall bezog sich auf den Ischgler Bürgermeister, Werner Kurz, gegen den die Staatsanwaltschaft Innsbruck in der Causa bereits ermittelt. Er habe die Verordnung zur Liftsperre nicht wie vorgesehen am 12. März, sondern erst am 14. März angeschlagen. Dies widerspreche aber der Tiroler Gemeindeordnung. Kurz soll sich verteidigt haben, indem er angab, dass die Bezirkshauptmannschaft aufgrund einer Ankündigung des Landeshauptmanns ihm diese Vorgangsweise so kommuniziert habe.
Land verteidigt sich
Das Land wies am Freitag die erhobenen Vorwürfe erneut zurück. Hinsichtlich der Ansteckung im Flugzeug hieß es, dass die damalige Einschätzung gewesen sei, "dass die Infektionen aufgrund von vorliegenden Informationen aus Island und vorgegebenen Falldefinitionen auch im Flugzeug erfolgt sein könnten". Die isländischen Gäste hätten in einer E-Mail an den Bezirkshauptmann zudem davon berichtet, dass eine Infektion im Flugzeug passiert sein könnte.
Tags darauf, am 9. März, sei eine Aussendung veröffentlicht worden, in der ein Zusammenhang zwischen dem "Kitzloch" und der Reisegruppe nicht ausgeschlossen wurde. Außerdem habe das Land am selben Tag einen öffentlichen Aufruf gestartet, dass sich Gäste des "Kitzloch" bei Symptomen an die Gesundheitshotline wenden sollten, und über Fälle in der Bar informiert. Die Bar wurde am 9. März behördlich gesperrt, am 10. März wurden alle Apres-Ski-Bars in Ischgl geschlossen. Bezüglich des Anschlags der Verordnung an der Ischgler Gemeindetafel über die Sperre der Skilifte wies das Land darauf hin, dass dies "ausschließlich im Aufgabenbereich der Gemeinde" liege.
(APA)