Deutsche im Innviertel: "Keine Ausländer"

(c) APN (Matthias Rietschel)
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Die Deutschen sind willkommene Zuwanderer: In der kleinen Innviertler Gemeinde Freinberg sind sie omnipräsent. Bürgermeister Pretzl will von Spannungen nichts wissen: "Für uns hier sind das keine Ausländer.“

FREINBERG. Anton Pretzl ist Bürgermeister einer Innviertler Gemeinde, deren Ausländeranteil bei 20 Prozent und deren Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund bei 40,6 Prozent liegt. Von sozialen Spannungen, Ghettobildung und Verständigungsproblemen will Pretzl dennoch nichts wissen: „Das gibt es bei uns nicht. Für uns hier sind das keine Ausländer.“

Der Grund dafür ist schnell erklärt: Sowohl Dialekt als auch Mentalität und Kulturkreis der Zuwanderer lassen keine wesentlichen Unterschiede zur österreichischen Bevölkerung erkennen. Sieht man einmal von sprachlichen Feinheiten wie dem Unterschied zwischen „Brotzeit“ und „Jause“ als Zwischenmahlzeit ab.

Denn Freinberg am Inn liegt direkt an der deutschen Grenze, das Passauer Ortsschild ist nur drei Kilometer entfernt, und in der wechselvollen Geschichte der Region war das Innviertel zwei Mal bayerisch, bis es 1814 endgültig Österreich zugesprochen wurde.

Begehrter Wohnort

Wegen der Nähe zur Dreiflüssestadt, den günstigen Grundstückspreisen und der idyllischen Lage ist die Gemeinde bei den bayerischen Nachbarn nun seit Längerem zum begehrten Wohnort geworden. Laut Statistik Austria ist der Anteil der Deutschen an der Gemeindebevölkerung seit 2001 um über 70 Prozent gestiegen.

Die Deutschen zählen übrigens auch österreichweit zu der zahlenmäßig größten Ausländergruppe: Von 1,08 Millionen im Ausland geborenen Menschen, die in Österreich leben, stammen 213.000 Personen aus der benachbarten Bundesrepublik.

In der Innviertler Gemeinde Freinberg sind die Zuwanderer jedenfalls auch in Zukunft willkommen, sagt Pretzl: Immerhin gibt es pro Einwohner Geld aus den Bundesertragsanteilen.

Der Bürgermeister, der hauptberuflich Maststiere in seiner Landwirtschaft züchtet, weiß um die Attraktivität der Gemeinde: im Ortszentrum kostet der Quadratmeter beschaulichen Lands 50 Euro, etwas außerhalb 30 Euro. In vergleichbarer Distanz zu Passau liegen die Preise in Bayern rund dreimal höher.

Einen der schönsten Ausblicke von Freinberg auf Passau hat Gerhard Blaas. Auf dem Parkplatz vor seinem Restaurant stehen Autos mit vor allem deutschen Kennzeichen, 80Prozent seiner Gäste kommen aus dem bayerischen Umland, sie gelten bei Blaas und seinen Mitarbeitern als „äußerst nett und sehr großzügig“: Beim Trinkgeld sind die Deutschen spendabler als Österreicher.

Auf der Karte in Blaas' Restaurant gibt es Palatschinken, keine Pfannkuchen, Schlag statt Sahne und österreichische Spezialitäten wie Tafelspitz, Schnitzel und Frittatensuppe. „Das macht ja das österreichische Flair aus, das ist unser Kapital, Österreich und die österreichische Küche sind in Deutschland sehr beliebt.“

Enklave für Raucher?

Seit sich Bayern per Volksentscheid ab 1.August das schärfste Antirauchgesetz (striktes Verbot ohne Ausnahme in öffentlichen Räumen und der Gastronomie) der Bundesrepublik verordnet hat, wird sich der österreichische Grenzraum vermutlich auch zur Enklave für rauchende Nachtschwärmer entwickeln.

Die Deutschen sind es bisher auch, die die ungewöhnlich hohe Wirtshausdichte in Freinberg aufrechterhalten, ist sich Blaas sicher: „Dass es hier bei uns fünf gut gehende Gaststätten gibt, ist hundertprozentig auf die deutschen Gäste zurückzuführen. In Passau leben immerhin 50.000 Menschen. Wir haben als kleine Gemeinde also ein relativ großes Einzugsgebiet.“

Ansturm auf billigeres Benzin

Von der Grenznähe profitieren auch die österreichischen Tankstellen: In der Nibelungentankstelleauf Passauer Seite kostet der Liter Normalbenzin 1,425 Euro, nur ein paar hundert Meter entfernt, an den Freinberger Zapfsäulen des BP-Pächters, nur noch 1,269 Euro.

Dementsprechend gut und international besucht ist man auf österreichischer Seite: Es gibt seit Kurzem auch einen Tank-Drive-in, um den Ansturm an den Wochenenden zu bewältigen.

Wie die Deutsche Tanja Graf, die in der Nähe von Passau lebt, kaufen viele, die hier tanken, auch gleich Zigaretten ein: „In den österreichischen Packungen sind 20 statt 19 Zigaretten.“

Einkaufsfahrt nach Passau

Aber auch die deutsche Seite kann sich nicht beklagen und hat etwas vom regen Grenzverkehr: „Zum Einkaufen fahren die Innviertler in dieser Gegend natürlich eher nach Passau als nach Schärding oder gar nach Linz oder Wels. Das ist uns einfach näher“, sagt Bürgermeister Pretzl.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2010)

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