Felix Saltens Roman „Bambi“ regt seit einem knappen Jahrhundert zu den unterschiedlichsten Deutungen an: vom Abbild bürgerlichen Familienlebens bis zum arischen Rehbock. Über „Austrian Schmaltz“ und „American Kitsch“.
Im Dezember 2018 wurde der Wilderer David Berry von einem Richter des US-Bundesstaats Missouri als Wiederholungstäter zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt. Er hatte mit seinem Vater und seinen beiden Brüdern illegal Hunderte Rehböcke und Hirsche geschossen, die Kadaver liegen gelassen und nur die Köpfe samt Trophäen an sich genommen. Als Strafverschärfung erlegte der Richter dem Verurteilten auf, er müsse sich während seiner Haft monatlich mindestens einmal Walt Disneys Verfilmung von „Bambi“ anschauen.
Neben dem Klassikerstatus des Filmes (1942) ist der Ruhm der Buchvorlage heute verblasst. Publiziert wurde „Bambi“ zunächst in Fortsetzungen ab 15. August 1922, wie auch Saltens folgende Romane, in der „Neuen Freien Presse“; noch 1922 kam der Text in deren Verlag, zusammen mit Novellen von Emil Ertl, Paul Goldmann und Stefan Zweig, in einem Jahrbuch heraus. Die Ausgabe bei Ullstein (Berlin) erschien im Dezember 1922 und brachte dem Autor einen Vorschuss von 50.000 Mark ein, was angesichts der galoppierenden Inflation wenig aussagekräftig ist. „Bambi“ erwies sich, wie aus einem Brief des Verlegers vom Dezember 1925 hervorgeht, als Ladenhüter: Von den 8000 gedruckten Exemplaren konnte nur die Hälfte verkauft werden; als Reaktion auf offenkundige Beschwerden des Autors gab der Verlag ihm mit Herbst 1926 die Rechte zurück. Dies ist der Beginn einer Erfolgsgeschichte bei Paul Zsolnay, die 1926 mit bescheidenen 5500 Stück anfängt und bis zur Beschlagnahme in NS-Deutschland 1936 reicht – da hielt man bei der 8. Auflage und 55.000 Exemplaren. Vor dem „Anschluss“ (und der Vernichtung von Matern und Platten) wurden 1937 für Österreich noch einmal 1600 Exemplare nachgedruckt. Statt der üblichen zehn Prozent des Ladenpreises standen Salten zwanzig zu. Noch 1923 bot die holländische Zeitung „Het Vaderland“ ihm den Abdruck von „Bambi“ als Fortsetzungsroman an. Die Versuche, eine US-amerikanische Ausgabe zu initiieren, waren allerdings erst 1928 von Erfolg gekrönt: Die Übersetzung von Whittaker Chambers erschien unter dem Titel „Bambi. A Life in the Woods“ bei Simon & Schuster in New York.