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Kommunikation

Das gute Gespräch ist nicht digitalisierbar

Menschen reden, weil sie Menschen sind. Aber zum Großteil kommunizieren sie heute digital. Mit Emojis statt mit Empathie, von Display zu Display statt Face-to-Face. Das verändert Alltag, Gesellschaft und Beziehungen. Weil WhatsApp und Co. vor allem eines stumm schalten: die sozialen Signale.

Das Leben ist voller Gespräche. Manche sind unerfreulich, andere vergisst man nie, aus einigen taucht man erst nach der Sperrstunde wieder auf. Heute ist der Tag aber auch voller WhatsApp-Dialoge. Und anderer digitaler Interaktionen. Menschen müssen ja reden. Schließlich sind sie soziale Wesen. Einsamkeit ist ein evolutionärer Nachteil.

Das lässt uns die Evolution noch heute schmerzlich spüren. Aber vorsorglich hat sie uns auch mit einem sozialen Survival-Kit ausgestattet, gleichsam einem analogen Social-Media-Kanal: unseren Körper. Vor allem das Gesicht ist unentwegt auf Sendung. Auf seinem Display kreieren 26 Muskeln exaktere Botschaften als es 26 Buchstaben je könnten. Und spätestens damit war das geschehen, was Paul Watzlawick nicht nur für alle Erstsemestrigen der Kommunikationswissenschaft formuliert hatte: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Dafür kann man sich inzwischen aussuchen, wie man denn gern redet. Analog oder digital. Lieber mündlich in der Kaffeehausnische. Oder schriftlich in der überfüllten U-Bahn, mittendrin in den Gesprächen aller anderen.

Keine Antwort ist auch eine Antwort

Und auch mit Schweigen ist schon einiges gesagt. Genauso damit, ob man nun am Telefon redet, Face-To-Face oder lieber doch per SMS, weil es ganz ohne Gegenüber dann doch leichter fällt, die Party abzusagen. Schweigen zumindest kann man analog deutlich besser als digital. Aber Missverständnisse ausräumen, Vorurteile abbauen, Beziehungen einrenken, um die Hand anhalten, um Entschuldigung bitten und noch so ein paar Dinge, die die sozialen Beziehungen in der Gesellschaft sonst recht solide verknoten.

Für all diese Aufgaben existiert das perfekte analoge Breitband-Kommunikationsformat. Eines, das auch für Zusatzfeatures wie Schmäh führen oder Beziehung aufbauen wie gemacht scheint: das Gespräch. Jenes Naturschauspiel also, bei der sich zwei Körper, die sich im selben Raum gegenüberstehen, mehr zu sagen haben als nur Worte. Da synchronisieren sich Gesten, Mimik, Sprache und Gehirnwellen: Es ist der Showdown der Kommunikation. Wenn der WhatsApp-Verlauf nirgendwo mehr hinzuführen scheint – spätestens dann sollte man reden, ganz analog. „Ich kenne kein Problem, das per E-Mail gelöst worden wäre“, sagt etwa Didi Lenz, der bei der Firma Bene unter anderem dafür zuständig ist, dass man auf Möbeln im Büro informell ins Gespräch kommt. Selbst wenn einen analoge Gespräche meist beseelter und befriedigter zurücklassen als ein Emoji-Feuerwerk: Am Ende des Tages kommt dann doch so einiges zusammen – an digitalen Rede-Häppchen, die man von Display zu Display geschickt hat statt von einem Gesicht zum anderen.

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