Oswald Oberhubers Kunstinstallation in der U-Bahn-Station Landstraße.
Augenblicke

Lustvolle Irritationen der Kunstszene

Ein ewig Suchender. Ein Mensch mit der Neugier eines Kindes. Ein Rastloser als sprühendes Ideenfeuerwerk. Ein Lehrer,der Routine hasst und die permanente Veränderung fordert: Der streitbare Universalkünstler Oswald Oberhuber.

Das listige Lachen einer der prägenden Figuren der österreichischen Kunstszene fehlt. Im Jänner dieses Jahres stirbt Ossi. Die Bandbreite seines Schaffens reicht von zart-poetischen Zeichnungen über U-Bahn-Bilder bis zu derb-plakativen Gerümpelplastiken.

Oswald Ossi Oberhuber. Ein Mensch mit der Neugier eines Kindes. Ein Lehrer, der die permanente Veränderung fordert. Ein Künstler als sprühendes Ideenfeuerwerk. Er ist Maler und Bildhauer, Ausstellungsgestalter und Möbeldesigner, stiller Poet und streitbarer Publizist. Bei Oberhuber lösen sich die Grenzen der Kunstgattungen lustvoll auf.

Bereits als 25-Jähriger fordert der spätere Rektor der Hochschule für angewandte Kunst in einem launig-programmatischen Manifest Die Permanente Veränderung in der Kunst: So sollen sich zum Beispiel Poesie und bildende Kunst verschmelzen. Er will bereits als Junger alles hinter sich lassen, was erstarrt, vermodert und in stilistischen Dogmen festgefahren ist.

1931 in Meran geboren, wird Oberhubers Familie 1940 im Zuge des Abkommens zwischen dem faschistischen Italien und NS-Deutschland in Nordtirol angesiedelt. Gleich nach Kriegsende besucht Oswald der Unbelehrbare an der Innsbrucker Gewerbeschule die Bildhauer-Klasse. Beeindruckt von der französischen Kunst der Nachkriegszeit, den Plastiken Picassos. Danach studiert Oberhuber an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Fritz Wotruba. Zwei Tage lang. In biografischen Anmerkungen spricht der ewige Flunkerer allerdings nur von einer Stunde Studium bei Wotruba.

Oswald Oberhuber.
Oswald Oberhuber.Robert Newald / picturedesk.com


Bereits während dieser Zeit entstehen aus billigen Materialien mehr als 300 Plastiken aus unnützen Gegenständen, die auf einem Podest so nahe platziert werden, dass sie wie ein Haufen Gerümpel wirken. Oberhuber will Plastiken eine andere Dimension geben, will aufzeigen, dass „jeder Papierfetzen mehr plastischen Körper hat als jede voluminöse Anhäufung“.

Das weite Feld seiner bildhauerischen Tätigkeiten scheint schier unbegrenzt: „Zerwuzeln und Zerschlagen, Sägen und Schweißen, Nageln und Nähen.“ Ebenso grenzenlos ist die Bandbreite der gefundenen Materialien: Draht, Gips, Karton, Holz, Acryl, Schnüre, Klebebänder – aber auch Plastikspielzeug. Oberhubers Skulpturen, räumliche Collagen, bezeichnet er gern mit literarischen oder ironischen Titeln.

Oberhuber gilt als Erfinder der informellen Malerei und Plastik – bei der das Abstrakte und nicht das Geometrische entscheidend ist. Die letzte plastische Arbeit im Bereich seiner informellen Arbeit heißt Ende. Es ist ein mit Gips und einer Bettfeder beworfener Lampenschirm aus Drahtgeflecht, mit Stofffetzen behängt. Eine Plastik, die wie das programmatische Ende seiner informellen Erfahrung wirkt: „Dieser Lampenschirm ist eine Negierung aller Dinge, die positiv sind, die etwas gestalten. Es ist das ungestaltetste Ding, das man sich vorstellen kann.“
Mitte der 1960er-Jahre nähert sich der ewig Suchende der Pop-Art an. 1969 schreibt er Das sich permanent verändernde Bild auf einen Spiegel. Bereits als 18-Jähriger bezeichnet er ein Bild mit dem Titel Nichts. 28 Jahre später nimmt er in Kassel zum ersten Mal an der documenta teil.
Als Leiter der Galerie nächst St. Stephan, wo er zuerst als Berater des legendären Priesters und Kunstsammlers Otto Mauer tätig ist, stellt er Werke von Joseph Beuys und Jim Dine, Gerhard Richter und Vito Acconci aus und gestaltet legendäre Ausstellungen wie 1969 die subversive Schau Kunst ohne Künstler.

1970 ein Tiroler Kunstskandal: Oswald Oberhubers Röhrenplastik, mit der er den Ärzten der Innsbrucker Universitätsklinik, die mit Schläuchen und Röhren Leben zu erhalten versuchen, eine Metapher geschaffen hat, wird demontiert.

Der kurzfristige Wotruba-Schüler wird später dessen Assistent und versucht seinen Studenten, mit denen er per Du ist, undogmatisch freie Hand zu lassen, denn die Werke der jungen Künstler sollen alles – nur nicht wie jene ihrer Lehrer aussehen. Als Oswald Oberhuber 1979 als Rektor die Leitung der Akademie übernimmt, sorgt er mit seinem einzigartigen Einfallsreichtum für radikale Veränderungen, schafft die Aufnahmeprüfung und die Professur auf Lebensdauer ab, gründet die Studienrichtung Visuelle Mediengestaltung und holt schillernde Gastprofessoren nach Wien. Wie Bazon Brock, Karl Lagerfeld oder Joseph Beuys. Der, nachdem er mit abgewiesenen Studenten das Sekretariat besetzt, von der Düsseldorfer Kunstakademie fliegt.

Oberhuber versucht, Kunst spielerisch zu vermitteln, lehnt Hierarchien vehement ab und fordert von seinen Schülern, darunter Brigitte Kowanz, Eva Schlegel und Erwin Wurm, permanente Dynamik und Veränderung. Fern der Routine. Er ist ein Leben lang Feind aller dogmatischen Prinzipien in der Kunst – und versucht dies permanent seinen Studenten zu vermitteln. Er fordert sie auf, die eigene Begabung zu erforschen. Und diskutiert mit ihnen leidenschaftlich auf Augenhöhe.

In den 1960er-Jahren entstehen monumentale Selbstporträts und als Aufarbeitung seiner Kindheit die Zeichenserie Ich als Kind. Auf dem Bild Tafel des Jahres 1972 liest man: „Liebe Mutter! Warum bist Du immer so traurig, so weich – ?! Manchmal möchte ich sagen, es drückt Dich – ich weiß schon, aber ich sage nicht – Dein Ossi“.

In jenem Jahr ist Oberhuber neben Hans Hollein offizieller Vertreter Österreichs bei der Biennale von Venedig und präsentiert – von Mondrians typischem Gittermuster beeinflusst – auf großformatigem Tuch Geschirrtücher. Mit den Freunden Hollein und Peichl ist er gemeinsam auch Redakteur bei der Architekturzeitung Bau. Später gründet er sein eigenes Medium, die Oberhuber-Zeitung.

Aufreibende Prozesse wie um die widmungswidrige Verwendung von rund 400.000 Euro Stipendiengeldern aus der „Stiftung Adlmüller“ oder die acht Jahre dauernden Streitereien mit einem deutschen Kunsthändler – bei denen zehn verschiedene Richter beschäftigt sind –über die Echtheit des Wiener Werkblocks seines Freundes Joseph Beuys, reduzieren Oberhubers Vitalität. Nach einem Schlaganfall lebt er, fast völlig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, in seiner Wohnung in der Praterstraße, wo früher Otto Muehl und seine Kommunarden hausten: „Als ich vom Weg abkam, legte sich der müde Körper ins Gras. Was kann das bedeuten?“
2016 wird der Universalkünstler Oberhuber, der ein Leben lang irritiert, dessen Werk nie wirklich einzuordnen ist, in einer großen, 300 Exponate umfassenden Ausstellung im 21er-Haus gewürdigt, es sei „ein erster Schritt, ihn in der Kunstgeschichte wirklich zu verankern“. Jenes auch gesellschaftlich engagierten Künstlers, der ein Buch mit dem Titel Vertreibung des Geistigen aus Österreich herausgibt.

Im Jänner dieses Jahres, zwei Wochen vor seinem 89. Geburtstag, ist das Leben des streitbaren Oswald Oberhuber, der die österreichische Kunstszene in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wie kaum ein anderer prägt, zu Ende. ⫻

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