Gartenkralle

Die Winterlounge ist eröffnet

Wir gründen die Bewegung der winterlichen Freiluft-Treffen, lassen das Feiern in Innenräumen für eine Zeit lang sicherheitshalber aus und ziehen uns dafür warm an

Möglicherweise erinnern sich diejenigen von Ihnen, die seinerzeit in ländlichen Gegenden jung und unternehmungslustig waren, an die berüchtigten Garagenpartys. Eine Garagenparty, um diesen Begriff zu erläutern, war genau das, was der Name sagt: Eine Fete in einer privaten Garage, und zwar sommers wie winters, das war dem Partyvolk ganz egal. Wenn es kalt war, gab es Walkjanker und Strickpullover. Meistens, oder eigentlich so gut wie immer, wurden Garagenpartys von jungen bis sehr jungen Menschen veranstaltet, weil ihnen das Feiern in gesitteteren Innenräumen nicht zugetraut wurde.

Die elterliche Angst um Spitzendeckchen und Lackmöbel war berechtigt. Man muss hier wirklich nicht ins Detail gehen. Die Garagen hingegen waren hervorragende Playgrounds. Oft handelte es sich um unverwüstliche, aus Beton gegossene Kuben, eine Unsitte der Fertigteilindustrie, doch in vielerlei Hinsicht praktisch. Man baute das Soletti-Liptauer-Buffet auf der Werkbank auf, direkt unter den an der Wand montierten Schraubenziehern und Inbusschlüsseln, räumte die Gartengeräte in eine Ecke und kehrte dann noch ein bisschen auf.

Ab einem gewissen Alter durften Privilegierte zuvor das Auto hinausfahren, unter strenger Anleitung und zur Übung, und unter dem nächstgelegenen Birnbaum parken. Wenn die Party schließlich abhob, trank man entsetzliche Erfindungen wie Cola-Rot und Feige mit Irgendwas, tanzte zu heute vergessener Musik, lungerte auf Matratzen herum, die tadellos als Sitzmöbel dienten, und machte sich eine feine Zeit.

Dieser Tage ist es bekanntlich schwierig geworden für gesellige Runden, egal welchen Alters. Weder sich selbst noch andere will man gefährden, und wer vernünftig ist, lässt das Feiern in Innenräumen für nicht absehbare Zeit am besten ganz bleiben. Oder?

Wir befinden uns im Jahr 2020 n. Chr., die ganze Welt ist vom Coronavirus besetzt. Die ganze Welt? Nein! Ein von unbeugsamen Covidgegnern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten. Auch jetzt, da die Kälte bevorsteht. Wir eröffnen ganz einfach die Wintersaison im Freien. Was früher ging, funktioniert heute noch viel besser, weil die alten, doch beengten Betongaragen vielerorts den sogenannten Carports gewichen sind, und weil es heute auch den Luxus überdachter Gartenplätze gibt. Genau dort richten wir unsere Winterlounges ein, geschützt, doch im Freien.

Das ist der Beginn einer Bewegung, ein Aufruf zur Vernunft in der Fröhlichkeit. Derzeit sind wir erst zu fünft. Immerhin. Vielleicht sind da draußen aber auch jede Menge Verbündete. Außerdem beginnt jede große Idee mit kleinen Schritten zu laufen. Das Silicon Valley nahm 1939 seinen Anfang schließlich auch in jener Garage in Palo Alto, in der Bill Hewlett und David Packard an Tongeneratoren und anderen hochtechnologisierten Geräten schraubten und ihr Unternehmen gründeten. Wir alle wissen, wohin das führte. Wir Winterlounge-Befürworter hingegen wissen es noch nicht, sind jedoch zuversichtlich. Also: Wer auch immer einen geeigneten Platz im Freien hat, ist hoffentlich schon dabei.

Man braucht dazu lediglich ein paar möglichst bequeme Sitzmöbel, Decken, Pölster, gut gedämmtes Schuhwerk und warmes Gewand. In den Gegenden, in denen es erlaubt ist, darf man auch an kleine Lagerfeuer denken oder an die gezähmte Variante in Feuerschale oder Feuerkorb. Auch ein mexikanischer Ofen ist hilfreich und macht die energieverschleudernden Gasheizschwammerl obsolet. Wir haben das Beisammensitzen im Freien an den kühleren Abenden der vergangenen Wochen bereits getestet und für ausgezeichnet befunden. Nur zu windig darf es nicht sein, der Wind ist der schärfste Gegner unserer Winterlounge-Bewegung.

Die Gärten, in denen sich all das abspielt, prangen derzeit im bunten, satten Herbst, doch auch später, wenn das Laub gefallen ist, hat der Garten einen eigenen Reiz. Die Samenstände der verschiedenen Stauden glitzern im Raureif, die Gräser dazwischen wirken wie blonde Haarschöpfe, die unterschiedlichen Ast- und Zweigstrukturen von Bäumen und Sträuchern werden sichtbar und können genau studiert werden. Die Luft ist frisch und köstlich und tut der Lunge gut. Der Raum ist weit, Abstand kann gehalten werden, was will man mehr?
Wir legen allen, denen es möglich ist, die Idee nahe. Wandert hinaus ins Freie, lasst es euch nicht verdrießen. Trinkt heißen Tee, mummelt euch gemütlich ein. Zündet ein Windlicht an oder heizt ein Feuer. Die zeitgenössische Garagenparty kann ausnehmend charmant sein. Wer macht mit? ⫻

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