Feuilleton

Die mysteriöse Saliera-Briefmarke

Clemens Fabry/Die Presse
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Einem Bekannten von Bekannten ist einmal passiert . . . Über österreichische Urban Legends, von der Katze im Laptopkarton bis zu eingemauerten Kadavern in der U-Bahn-Station Stephansplatz.

Hat Österreich nach den Anschlägen von 9/11 New-York-Lieder verboten? Haben österreichische Empfänger von Care-Paketen nach dem Zweiten Weltkrieg diese nicht angerührt, weil „Gift for Austria“ darauf stand? Und was ist mit den vielen Gewinnern von Rubbellosen, von denen erzählt wird, dass sie ihr Gewinnerlos weggeworfen hätten, weil sie dachten, die Zahlen müssten in einer Reihe stehen?

Das sind nur einige der Geschichten, die man auf der – leider reichlich altertümlichen und nicht aktuell gehaltenen – Seite sagen.at unter dem Punkt „moderne Sagen“ findet (natürlich nach Bundesländern geordnet, dem Lokalbezug dieses Genres gemäß). Das Inaktuelle hat hier auch sein Gutes. In Zeiten von Fake News urbane Legenden zu „sammeln“ ist ein heilloses Unterfangen. Sie fliegen einem um die Ohren, man weiß nicht, wo zuerst hinsehen. Hier aber wird man an urbane Legenden erinnert, die vor Social-Media-Zeiten, meist auch vor dem Internet aufkamen. Die fast gleiche Geschichte kann man da an verschiedenen Orten angesiedelt sehen oder von unterschiedlichen Personen beglaubigt – so entstanden einst auch die Varianten der Sagen.

Ein jüngerer „Hoax“ ist die Geschichte der Salieri-Briefmarke. Man erinnert sich: Am 11. Mai 2003 wurde um 3.55 Uhr aus dem Kunsthistorischen Museum das Salzfass des Florentiner Künstlers Benvenuto Cellini, die „Saliera“, aus einer Glasvitrine gestohlen. Nur wenige Minuten später, nämlich um Punkt vier Uhr, erzählte man sich bald, sei ein Sonderpostamt im Museum eingerichtet gewesen, das 750 Stück der Saliera-Briefmarke mit einem Sonderstempel, Datum 11. Mai 2003, 4 Uhr, versah . . .

Mehrere Sagenvarianten hat der faulige Gestank hervorgerufen, der im Sommer in der U1-Station Stephansplatz zu riechen war: die vom „Rattenfriedhof“, von einem Obdachlosen, der neben einem Heizaggregat gestorben und durch die Hitze verwest sei, ja, sogar von versehentlich eingemauerten Bauarbeitern.

Langlebig war offenbar auch die Legende von der toten Katze im Laptopkarton (in Varianten ein Hase): Eine Wienerin oder ein Wiener will eine verstorbene Katze im Schrebergarten (oder am Stadtrand) begraben und packt sie in einen Laptopkarton – der ihr auf der U-Bahn-Fahrt gestohlen wird. Möglicherweise ist das die Aktualisierung einer älteren Urban Legend: Vom Sack mit der zu begrabenden, toten Katze, der sonntags in den Öffis mit einem Sack mit Brathendl drin verwechselt wird . . . ⫻

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