Corona-Management

Expertenbericht als vorläufiger Höhepunkt in Ischgl-Affäre

Symbolbild: Skigebiet Ischgl
Symbolbild: Skigebiet Ischglimago/imagebroker
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Seit Anfang Juni hat eine sechsköpfige Kommission 53 Auskunftspersonen befragt. Heute wird sie ihre Ergebnisse zum Krisenmanagement im Tiroler Skiort bekanntgeben.

Ischgl - die Tiroler Tourismushochburg mutierte im Frühjahr medial binnen Tagen vom Wintersport- und Party-Hotspot zum veritablen "Superspreader" und einem der "Epizentren" in Sachen Corona in Europa. Das Krisenmanagement Tirols geriet massiv in die Kritik. Inzwischen laufen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen und vier Amtshaftungsklagen gegen die Republik Österreich. Heute, Montag, nimmt die Affäre ihren vorläufigen Höhepunkt: Die eingesetzte Expertenkommission stellt ihren Bericht vor.

Ausreichend mediale Aufmerksamkeit dürfte der Kommission unter dem Vorsitz des ehemaligen Präsidenten des Obersten Gerichtshofes (OGH), Ronald Rohrer, im Haus der Musik in Innsbruck gewiss sein, wenn sie die Ergebnisse ihrer viermonatigen Arbeit in einer Pressekonferenz präsentiert. Immerhin 34 Medienvertreter hatten sich im Vorfeld akkreditiert.

53 Auskunftspersonen befragt

Seit Anfang Juni hatte die sechsköpfige Kommission unter dem Vorsitz Rohrers in insgesamt vier mehrtägigen Sitzungen 53 Auskunftspersonen angehört. Darunter befanden sich unter anderem Touristiker, Seilbahnverantwortliche, Personen, die mit SARS-CoV-2 infiziert waren, ein Fernsehjournalist, ein Vertreter des Verbraucherschutzvereins, Ärzte und Wissenschafter, Vertreter der Wirtschaft und die Verantwortungsträger der Bezirke, des Landes und des Bundes - darunter auch Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP).

Mit einer kompletten Weißwaschung von Politik und Behörden wird nicht gerechnet, ob der Bericht zu einer flächendeckenden Abrechnung oder doch mehr zu einer punktuellen Manöverkritik geraten wird, wird sich zeigen. Auch ob der Bund in Sachen chaotisches Ausreisemanagement tausender Urlauber in die Ziehung genommen wird, blieb vorerst offen. Im Vorfeld wurde die Präsentation jedenfalls durch Berichte von "ZiB 2" und "profil" befeuert. Laut deren Recherchen seien die Tiroler Behörden über die Tragweite des Problems bereits früher als angenommen informiert gewesen. Eine Darstellung, die das Land vehement zurückwies. Die Informationen dafür stammen aus Akten, Mails und Krisenstabprotokollen.

Sperre von Lokalen und Skigebieten

Auch an zwei anderen "Fronten" geht es um die zentralen Fragen, ob die Behörden die Gefahr von Infizierungen in den zahlreichen Apres-Ski-Lokalen noch Anfang März bewusst heruntergespielt sowie zu spät und nicht umfassend genug reagiert haben - etwa in Hinsicht auf die Sperre der Apres-Ski-Lokale sowie des gesamten Skigebiets. Und ob die ergriffenen Maßnahmen letztlich richtig umgesetzt wurden. Der Verbraucherschutzverein (VSV) brachte Ende September vier Amtshaftungsklagen gegen die Republik Österreich beim Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen ein. Die Vorwürfe richten sich nicht nur gegen lokale Behörden und Politiker in Tirol, sondern reichen bis hin zu Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). So hieß es etwa, dem Gesundheitsressort wären bereits am 3. und 4. März Berichte aus mehreren EU-Staaten über Corona-Erkrankte vorgelegen, aber man habe keine Maßnahmen gesetzt.

Mehr als 6000 Tirol-Urlauber aus 45 Staaten hätten sich beim VSV als Geschädigte gemeldet. Rund 11.000 Corona-Infektionen in Europa sollen auf Menschen, die in Tirol urlaubten, zurückzuführen sein.

Bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck läuft indes ein Ermittlungsverfahren gegen vier Personen wegen vorsätzlicher oder fahrlässige Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten. Gesichert ermittelt wird gegen Ischgls Bürgermeister Werner Kurz sowie - nicht offiziell bestätigten Berichten nach - gegen den Landecker Bezirkshauptmann Markus Maaß und zwei weitere Behördenmitarbeiter.

(APA)

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