Mein Montag

Die Unsitte, plötzlich alles dürfen zu müssen

Mit dürfen kann man sagen, ob etwas erlaubt oder verboten ist. Aber oft verwendet man es dort, wo es gar nichts zu erlauben gibt.
Mit dürfen kann man sagen, ob etwas erlaubt oder verboten ist. Aber oft verwendet man es dort, wo es gar nichts zu erlauben gibt.(c) FABRY Clemens
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Warum wird so gerne ein Modalverb für Situationen benutzt, in denen es gar nicht passt?

Darf ich über eine Unsitte klagen, die sich in unseren Sprachgebrauch geschlichen hat? Ihr Einverständnis vorausgesetzt soll es um diese sprachlich überhöfliche Unterwürfigkeit gehen, die heute gerne auftaucht, wenn jemand erzählt, dass er etwas gemacht hat. „Ich durfte heute mit Freundin XY eine Opernpremiere besuchen“, zum Beispiel. Wo das Problem liegt? Nun, früher sagte man einfach: „Ich war mit Freundin XY bei einer Opernpremiere.“ Mittlerweile scheint es, dass man dafür eine metaphysische Erlaubnis einholen muss. Rufen wir uns die Bedeutung des Modalverbs in Erinnerung: Mit dürfen kann man sagen, ob etwas erlaubt oder verboten ist. Nur wer ist die Autorität, die den Besuch der Oper verbieten hätte können?

Nehmen wir den Fall, dass Freundin XY die Karten besorgt und sie als Geschenk überreicht hat. Dann hat sie natürlich den Besuch möglich gemacht. Man konnte also, um das Modalverbenbingo zu starten, in die Oper gehen. Im besten Fall wollte man das vorher und mochte es auch. Ob man musste, ist natürlich auch eine Frage – tatsächlich zwingen konnte Freundin XY einen dazu ja nicht. Aber dürfen, das passt hier so gar nicht rein. Es sei denn natürlich, man hätte vorher fragen müssen: Liebe Eltern, lieber Lebensgefährte, lieber Arbeitgeber, wer auch immer, darf ich mit Freundin XY zur Opernpremiere gehen, für die sie mir Karten geschenkt hat? Sie merken schon, da hakt es ein bisschen.

Natürlich gibt es auch die Variante, unabhängig von jemandes Erlaubnis zu etwas berechtigt zu sein, sei das etwa die Ethik („so etwas darf man nicht sagen!“) oder die Umstände („darauf darfst du stolz sein!“). Aber seien wir uns ehrlich, mit dem Besuch der Opernpremiere hat auch das nichts zu tun. Warum wird das Dürfen dann so häufig eingesetzt, wo es eigentlich gar nichts zu suchen hat? Nun, das dürfen Sie mich nicht fragen . . .

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

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