Wien-Wahl

Ludwig hat die Wahl (gewonnen)

Michael Ludwig (l.) mit Birgit Hebein (Grüne) und Christoph Wiederkehr (Neos)
Michael Ludwig (l.) mit Birgit Hebein (Grüne) und Christoph Wiederkehr (Neos)APA/ROLAND SCHLAGER
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Die rot-grüne Koalition, aber auch die ÖVP wurden gestärkt. Ludwig kann nun zwischen Grünen, ÖVP und auch Neos wählen. Wobei Rot-Pink mehr Chancen hat als bisher angenommen.

Zum ersten Mal seit langem gab es für die Sozialdemokratie wieder einen Grund zu jubeln: Unter Bürgermeister Michael Ludwig erreichte die Wiener SPÖ laut Hochrechnung (STand Sonntag 21 Uhr, inkl. Briefwahlstimmen) 42,1 Prozent, und übertraf die 40-Prozent-Grenze deutlich. Sein Vorgänger Michael Häupl hatte 2015 mit 39,6 Prozent noch das zweitschlechteste Ergebnis in der Geschichte der Wiener Sozialdemokratie eingefahren.

Damit hat der SPÖ-Aufwärtstrend, der seit längerer Zeit zu beobachten war, bis zum Schluss angehalten. Die letzten Umfragen vor der Wahl hatten der Bürgermeisterpartei ein Ergebnis um die 42 Prozent bescheinigt. In der Nachwahlbefragung erklärten 39 Prozent der SPÖ-Wähler, dass sie wegen Ludwig ihr Kreuz bei den Sozialdemokraten gemacht haben – er strahlt auch in andere politische Lager hinein. Damit hat Ludwig nun die Qual der Wahl, mit wem er in Koalitionsverhandlungen eintritt.

Mit ÖVP und Grünen geht sich rechnerisch eine stabile Koalition aus. Rot-Pink (die bevorzugte Variante von vielen Genossen) dürfte nach der letzten Hochrechnung mit 56 von 100 Mandaten eine doch recht stabile Mehrheit erreichen. Ob sich das noch ändert, hängt von den rund 400.000 Wahlkarten ab, die ab Montag ausgezählt werden. Immerhin gab es bei dieser Wahl (corona-bedingt) einen Rekord an Wahlkarten.

Rot-Pink hätte sichere Mehrheit

Der bisherige Koalitionspartner der Wiener Sozialdemokraten, die Wiener Grünen, fahren nach zwei Niederlagen in Folge bei der Wien-Wahl (diesmal auch mit Rückenwind einer Regierungsbeteiligung im Bund) am Sonntag einen sichtbaren Erfolg ein: 14,1 Prozent bedeuten für die Partei von Birgit Hebein das beste Wiener Wahlergebnis seit dem Jahr 2005.

Die ÖVPsieht das Ergebnis mit einem lachenden und einem sehr kleinen weinenden Auge. Mit 18,8 Prozent hat sie das beste Ergebnis seit 1987 eingefahren, und sich dabei etwa verdoppelt – was auch das Ziel war. Allerdings hatten nicht wenige in der Partei sicher damit gerechnet, die 20-Prozent-Grenze zu knacken. In den vergangenen Monaten gingen viele Umfragen von einem derartigen Wert aus. Gernot Blümel konnte mit seinem „Mitte-rechts-Kurs mit Anstand“ offensichtlich zahlreiche enttäuschte FPÖ-Wähler an sich binden. Mit diesem Kurs wird es Blümel aber sehr schwer haben, den Sprung in eine Koalition mit den Sozialdemokraten zu schaffen. Immerhin steht die Wiener SPÖ von allen roten Landesparteien am weitesten links.

Die FPÖist nun im Tal der Tränen angekommen. Mit Minus 23,1 Prozentpunkten erreichte die FPÖ nach einer Serie von Skandalen nur noch 7,7 Prozent – und fiel sogar knapp hinter die Neos zurück. Ein vernichtendes Ergebnis. Neben Ibiza und Spesenskandal kam mit Heinz-Christian Strache dazu auch noch ein Gegenkandidat aus den eigenen Reihen.

Die Neoslegten (entgegen von Prognosen) um 1,9 Prozentpunkte zu und kamen auf 7,8 Prozent. Eine rot-pink Stadtregierung hätte damit eine überraschend deutliche Mehrheit – und ist nun eine sehr realistische Option. Dazu wären die Neos wahrscheinlich billiger zu haben als Grüne oder ÖVP.

Für Heinz-Christian Strachewurde es ein bitterer Abend. Der skandalgebeutelte Ex-FPÖ-Chef erreichte mit seinem Team HC 3,6 Prozent, und verpasste den Einzug – zumindest laut Hochrechnung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2020)

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