Biografie

Karl Lagerfeld und die Kunst der Illusion

Bildsprache. 1991 posierte Karl Lagerfeld mit selbst geschossenen Fotos.
Bildsprache. 1991 posierte Karl Lagerfeld mit selbst geschossenen Fotos.(c) Paris Match via Getty Images (Manuel Litran)
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Annäherung an einen, der sich gern selbst zu Überlebensgröße stilisierte, in einer profund recherchierten Lagerfeld-Biografie.

„Affabuler", das Wort, nach dem Romy Schneider in der ersten Szene von "Les choses de la vie" sucht und von Michel Piccoli zugeflüstert bekommt, das beschönigende Schwindeln, passte wohl auch ganz gut zu Karl Lagerfelds Leben in Paris. Alfons Kaiser nun, Ressortleiter und Modekritiker der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", ging mit der Akribie, Ausdauer und Ambition des promovierten Literaturwissenschaftlers vor, als er sich für "Karl Lagerfeld. Ein Deutscher in Paris" dieses schöngeredeten Lebens annahm. Das Ergebnis ist die erste nun vorliegende gültige Karl-Lagerfeld-Biografie. Beobachter glauben vielleicht, alles von Karl Lagerfeld selbst in seinen unzähligen Medienauftritten erzählt bekommen zu haben: Doch nie zuvor ist mit so großer Genauigkeit von einem Außenstehenden alles über den Designer Sagbare zusammengetragen worden. Kaiser, der selbst mit Lagerfeld nach vielen Treffen gut bekannt war, scheute nicht die Mühen, sich ausgiebig in Archiven umzusehen oder ausführliche Interviews mit Zeitzeugen zu führen. So ist seine Lebensschilderung auch kein Plauderbuch, wie etwa das 2009 erschienene "Karl" des "Bunte"-Journalisten Paul Sahner - vielmehr eine kleine Schatzkiste, in der auch Lagerfeld-Kenner noch ein paar neue Preziosen finden werden.

Faktentreue. Für Aufregung sorgte in deutschen Feuilletons im Vorfeld die erstmals verbürgte Tatsache (einem privaten Brief von Lagerfelds Mutter entnommen), dass beide Elternteile NSDAP-Mitglieder waren. Solche Erkenntnisse, die dank Kaisers Recherchen aus der Sphäre reiner Vermutungen in jene belegter Fakten überführt werden konnten, sind wertvoll. Aufschlussreich sind auch die vielen Facetten einer artifiziellen Persona, eines, wie Kaiser nach C. G. Jung schreibt, "falschen Ichs", das Lagerfeld in Paris phasenweise konstruiert habe. Als "affabulateur" rückte er etwa seine Kindheit in die Nähe Dänemarks, gab sich als Nachfahre schwedischer Landadeliger aus: Alles vielleicht, um nicht für immer "l'Allemand à Paris" zu bleiben. Ungleich anderen Autoren bleibt Alfons Kaiser stets faktentreu, zurückhaltend, kompiliert Belegbares - und hat so ein Buch geschrieben, das einen Ehrenplatz in der Bibliothek profunder Modekenner verdient.

"Karl Lagerfeld. Ein Deutscher in Paris". Von Alfons Kaiser bei C. H. Beck.
"Karl Lagerfeld. Ein Deutscher in Paris". Von Alfons Kaiser bei C. H. Beck.C.H.Beck. 

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