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Stressfaktor Home Office: Wenn die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwinden

imago images/Sven Simon
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Für Studienleiter Rene Riedl ist klar, die Digitalisierung hat auch Schattenseiten. „Digitaler Stress führt zu emotionaler Erschöpfung“, ist Riedl überzeugt.

Am Diensthandy läutet es, das eigene vibriert ständig, die ungelesenen E-Mails im Posteingang stürmen in den dreistelligen Bereich und schon wartet die nächste Zoom-Teams-Meet-Online-Besprechung. Bedingt durch die  Pandemie sind viele Arbeitnehmer immer noch im Home Office - mit all ihren Tücken. Denn die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen. Da rückt die seit Jahren kursierende Angst, durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz schon bald den Arbeitsplatz zu verlieren, in weite Ferne. Zumindest im deutschsprachigen Raum, wie jetzt eine Studie zeigt. 

3333 Menschen in Österreich, Deutschland und der Schweiz wurden von dem Team der Fachhochschule (FH) Oberösterreich, der Uni Linz und der Universität Bonn noch vor der Coronakrise zu dem Thema online befragt. Aus Österreich stammten 1187 Teilnehmer im erwerbsfähigen Alter. Insgesamt verorteten sich die Österreicher beim Ausmaß des erlebten digitalen Stresses im Schnitt auf Stufe drei der siebenteiligen Skala. Kaum darüber lagen die Schweizer (3,21) und die Deutschen (3,11), hieß es bei der Studienpräsentation am Dienstag in Wien.

Das könnte man derart interpretieren, dass das Phänomen möglicherweise "gar nicht so schlimm" sei, so Ko-Studienautor Rene Riedl von der FH Oberösterreich. Hier handle es sich jedoch "durchaus um einen Stresswert, der auf ein reales Phänomen hinweist". Außerdem sei stark davon auszugehen, dass die Krise das erlebte Ausmaß an digitalem Stress verstärkt. So werde in der Wissenschaft etwa die zunehmende Ermüdung durch Videokonferenzen als neuer Aspekt beschrieben, so Riedl.

Vor allem seit dem Siegeszug des Smartphones sei es wichtig, auch die negativen Seiten der Digitalisierung, die "viele potenzielle Stressoren" biete, zu analysieren. In seinem Buch mit dem Titel "Digitaler Stress" hat der Forscher rund 600 internationale Studien aus dem Gebiet zusammengetragen. Es zeige sich, dass mittlerweile pro Tag und Nutzer rund 75 E-Mails produziert werden, deren Bearbeitung im Schnitt um die zwei Stunden dauert. Die täglich rund 2,5 Stunden am Handy werden kaum telefonierend verbracht, was eine vor allem Internet-getriebene "Informations- und Kommunikationsmisere" hinweise, so Riedl. In seiner Arbeitstätigkeit werde man nur durch das Smartphone im Schnitt 88 Mal pro Tag unterbrochen, das zunehmende Multitasking verunmögliche immer mehr, dass sich als angenehm erlebte "Flow-Erlebnisse" am Arbeitsplatz überhaupt einstellen können.

Im Rahmen der Befragung hat sich das digital beförderte fortschreitende Einsickern der Arbeit in den privaten Bereich als "dominantester Stressfaktor" erwiesen. Auch oft genannt wurde, dass neue soziale Normen, wie der Anspruch, auf Mails sofort zu antworten, Druck erzeugen. Als weitere Stressoren werden auch das Übermaß an Funktionen in Anwendungen und damit verbundene mangelnde Nützlichkeit bzw. Unzuverlässigkeit und mangelnde technische Unterstützung häufiger genannt. Durch eine Technologie im Job ersetzt zu werden, rangiert hingegen am untersten Ende der Stressoren-Rangliste.

Verzicht, Planung und Auszeit

Für Riedl zeigt die Untersuchung auch: "Digitaler Stress führt zu emotionaler Erschöpfung." Zudem seien steigender Arbeitsstress sowie sinkende Arbeits- und Benutzerzufriedenheit zu verzeichnen, die Auswirkungen könnten in Richtung "Burnout" oder depressiver Symptome gehen. Auf Unternehmensseite könne der digitale Stress u.a. das Innovationsklima spürbar unterminieren.

Gegensteuern könne man, indem beispielsweise Mails nur zu fixen Zeiten und relativ selten gecheckt oder auf Firmenebene neue technische Systeme nicht ständig und unreflektiert ausgerollt werden. Zudem zeige sich, dass bewusster Social-Media-Verzicht Stresshormone reduzieren kann. Um im Technologiedschungel besser zurechtzukommen zahle es sich auch aus, "sich im Computerbereich weiterzubilden", sagte der Forscher.

(APA)

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