Abstände. Haus Avos richtet sich nach dem Wein, nach den Rebständen.
Architektur

Gebaut mit besonderem Bezug nach draußen

Ein Haus inmitten von Wein, ein schlichter Zubau neben traditioneller Architektur und ein Domizil zwischen Öffnung und Rückzug: Drei Bauten mit besonderen Außenbeziehungen.

Ein Hanggrundstück und der Weingarten des Großvaters: Das waren die Ausgangspunkte für „Haus Avos“, benannt nach dem ersten Rotwein, den der Bruder – und Bauherr – des Architekten gekeltert hat. Der Wein, die Reben, die Abstände zwischen ihnen, das sind auch die formalen Kriterien, die Oliver Steinbauer für den Bau gewählt hat: „Das Tragwerk, eine Ziegel-Stahl-Konstruktion, ist auf die Rebstände abgestimmt, ebenso die Fensterteilung. Die Höhe des Hauses hat sich auch durch die Weinreben ergeben.“ Getüftelt hat er lang, „die Planungsphase hat schon zwei Jahre gedauert“, das Ergebnis ist ein beeindruckendes, in die Natur eingebettetes Projekt.

Blickbeziehung. Viel Glas öffnet den Blick, dunkles Holz integriert den Bau in die Natur.
Blickbeziehung. Viel Glas öffnet den Blick, dunkles Holz integriert den Bau in die Natur.(c) Steinbauer Architektur+Design

Über ein 4,20 Meter hohes schwarzes Stahlportal führen sieben Stufen in das Herzstück des Hauses: einen dreiseitig verglasten, auf vier Stahlstützenpaaren ruhenden Wohnbereich, der die Illusion vermittelt, mitten im Weinberg zu sein. „Dieser Bereich ist multifunktional einsetzbar und nicht nur für den privaten Gebrauch gedacht. Er wird von meinem Bruder auch für Weinverkostungen verwendet“, erzählt Steinbauer. Der Bereich darüber ist mit einer vorgehängten Fassade aus verkohlten, senkrechten Holzlatten verkleidet, „analog zum biologisch produzierten Wein“.

Die 155 Quadratmeter große Wohnfläche ist geprägt von einem offenen Raumkonzept, aufgeteilt in Split-Levels, in Quer- und in Längsrichtung. Das Haus – Steinbauer hat für sein Erstlingswerk gleich einmal das Goldlabel des German Design Award 2021 gewonnen – bekommt so fünf Halbgeschoße, die mit Treppen verbunden sind und somit ein durchgehendes Gefüge ergeben. Abgeschlossen sind nur Bad, Kinderzimmer und Schlafzimmer im oberen Bereich. Ein Schmankerl wartet im Bad: „Durch eine Geschoßverschiebung ist eine in den Boden versenkte Badewanne mit gerahmtem Blick in den Weingarten entstanden.“

Fenster zum Wein. Aussicht, gerahmt: Die Wanne ist im Boden versenkt.
Fenster zum Wein. Aussicht, gerahmt: Die Wanne ist im Boden versenkt.(c) Steinbauer Architektur+Design

Auf den unteren Ebenen dominieren sandgestrahlte Betondecken, schwarzer Stahl, Sichtestrich und großzügige Glasflächen. In den privaten Zonen finden sich weißes Corian, naturgeölte Eiche und Lichtschlitze in Richtung Osten.

Tief in der Erde. Da der Bruder Winzer ist, ist ein Weinkeller natürlich unerlässlich gewesen. „Durch die Hanglage ist der Weinkeller jetzt tief im Erdreich positioniert, was für eine optimale Temperatur sorgt“, so Steinbauer. Ganz besonders wichtig ist dem Architekten der Bezug zur umgebenden Natur, zu den Reben, Wiesen, dem Wald: „In den Abendstunden gleicht sich die verkohlte Holzfassade der Textur des dahinterliegenden Waldes an und das Gebäude reduziert sich auf einen gläsernen Innenraum inmitten des Weingartens.“
www.steinbauer-architektur.com

Bestand und Beton

Zusammen bringen. Viel Glas und Sichtbeton erweitert den Bestand.
Zusammen bringen. Viel Glas und Sichtbeton erweitert den Bestand.(c) Gregor Graf/Waax Architektur

Ein altes Bauernhaus aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, das um einen modernen Zubau erweitert werden sollte: Der Auftrag an die Waax Architekten aus Linz war nicht außergewöhnlich – allerdings nur auf den ersten Blick. „Wir mussten bald feststellen, dass die Bausubstanz des 235 Quadratmeter großen, alten Hauses in katastrophalem Zustand war. Zum Teil bestanden die Mauern zwar außen und innen aus Ziegel, Füllmaterial war aber Stroh, das Haus war mehr oder weniger abbruchreif“, erzählt Architekt Gregor Wakolbinger.

In dem Moment sind alle Planungen mehr oder weniger obsolet gewesen, da die Bauherrin eine „sehr enge emotionale Beziehung zu dem Haus hat und es genauso wieder aufgebaut haben wollte“. Also wurden die Außenmauern originalgetreu wieder aufgebaut, das Innere aber völlig neu gestaltet, zum Teil mit den Baumaterialien, die noch verwendbar waren. Wie etwa beim Dachstuhl, der offen sichtbar konstruiert worden ist, oder mit alten Ziegeln, die nun optische Hingucker sind.
Das Innere hat nun ein offenes Raumkonzept, mit einem Küchenblock, einem durchgehenden Ess-Wohn-Bereich sowie einer Galerie, mit Bücherregal an der einen Seite.

Wieder aufbauen. Das alte Haus wurde originalgetreu neu errichtet.
Wieder aufbauen. Das alte Haus wurde originalgetreu neu errichtet.(c) Gregor Graf/Waax Architektur

Die eigentliche Arbeit für den Architekten begann dann mit dem rund 150  Quadratmeter großen Zubau aus Sichtbeton, der L-förmig an das alte Haus angebaut wurde, das Grundstück zur Straße hin abschließt und sich nach innen zum rund 1100 Quadratmeter großen, zurzeit noch etwas puristischen Garten hin öffnet. Altes und Neues sollte sich bei „Opa’s House“ ergänzen und – trotz unterschiedlicher Ausrichtung – eine optische Einheit bilden. „Die Grundidee war so etwas wie ein Atriumhaus, das nach außen abschließt und sich nach innen öffnet, mit einer optischen Verbindung zum Außenbereich“, erzählt Wakolbinger.

Der Boden, die Wände. Die Verbindung zwischen altem und neuem Bauteil bildet ein nach beiden Seiten hin verglaster Eingangsbereich, der nach Bedarf mit Vorhängen „blickdicht“ gemacht werden kann. Untergebracht ist dort auch ein Glasatrium, in dem zwei Bäume gepflanzt worden sind. Große Fensterflächen öffnen den Bau, in dem eine verglaste Sauna, ein Wellnessbereich, ein Carport aus Lärchenholz und Nebenräume untergebracht sind, nach außen auf eine Terrasse, zum Infinity-Pool und zum Garten hin.

Neu gestalten. Grauer Stein, echte Bäume finden sich im Atrium.
Neu gestalten. Grauer Stein, echte Bäume finden sich im Atrium. (c) Gregor Graf/Waax Architektur

Die Terrasse besteht aus Kavala-Quarzit aus Griechenland, „der direkt vor Ort, im Steinbruch, zugeschnitten worden und auch für die abgeschrägte Poolumrandung zum Einsatz gekommen ist“, erklärt der Architekt. Zum Teil überdacht hat die Terrasse auch Platz für einen gemütlichen Sitzbereich – und harmoniert, weil der Farbton des Steins dem des Sichtbetons gleicht, bestens mit der Erweiterung des Zubaus. www.waax.at

Falten und Fassade

Nach außen geschlossen, nach innen offen – ein Haus ganz in der Tradition der burgenländischen Ortsstruktur. Und dennoch völlig anders: Drei Baukörper mit unterschiedlichen Höhen, angeordnet in einem U-förmigen Grundriss, werden durch ein asymmetrisch mehrfach gefaltetes Dach miteinander verbunden. Ein Satteldach sei der Wunsch des Bauherren gewesen, erzählt Julia Stoffregen von Heimspiel Architektur über die Arbeit am „Haus SUA“ – die aktuelle Lösung ist die eigene Interpretation der Architektinnen.

Aufgeschlossen. Zu Pool und Garten hin gibt sich das Haus ganz offen.
Aufgeschlossen. Zu Pool und Garten hin gibt sich das Haus ganz offen.(c) Leonhard Hilzensauer

Und noch etwas unterscheidet den Bau mit einer Wohnfläche von rund 260 Quadratmetern und 100 Quadratmetern an Nebenräumen von den üblichen burgenländischen Häusern: die Fassade. „Wir haben uns für eine sägeraue, vorverwitterte Stulpschalung aus Lärchenholz entschieden, wobei wir unterschiedliche Lattengrößen verwendet haben. Schiebe-, Klapp- und Faltläden dienen nicht nur als bewegliche Sonnenschutzelemente, sie lassen je nach Bedarf der Bewohner wechselnde Ein- und Ausblicke zu“, sagt Stoffregen. Das Um und Auf des Konzepts ist aber die fließende Verbindung zwischen Draußen und Drinnen. So zugeknöpft das Haus zur Straße wirkt, so offen gibt es sich nach innen und zum Garten mit rund 1300 Quadratmetern hin. Großzügige Fensterflächen, Nischen und eine windgeschützte Terrasse zwischen den beiden größeren Baukörpern, die mit einem Sonnensegel überdacht werden kann, scheinen wie eine logische Fortsetzung des Hausinneren.

Zugeknöpft. Zur Straße  hin schottet sich der Bau  eher ab.
Zugeknöpft. Zur Straße hin schottet sich der Bau eher ab.(c) Leonhard Hilzensauer

Zonen für Generationen. Auch der Wohnbereich ist geprägt durch fließende Grenzen. „Eingang, Küche und Wohnraum gehen ineinander über und bilden das Herzstück des Hauses. Durch die Dachfaltung, die auch im Innenraum sehr gut erlebbar ist, werden die unterschiedlichen Aufenthaltsbereiche zoniert und gleichzeitig als eine Einheit erlebbar“, erläutert Stoffregen die Idee. Ein besonderer Hingucker ist der Kamin, der wie eine schwarze Skulptur von der Decke hängt.

Fließend. Der Wohnbereich unten ist ein großes Ganzes, oben gibt es getrennte Zonen.
Fließend. Der Wohnbereich unten ist ein großes Ganzes, oben gibt es getrennte Zonen.(c) Leonhard Hilzensauer

Dennoch sind die Bereiche für Eltern und Kinder bewusst getrennt. Jener für die Großen ist eine eigene Einheit im Erdgeschoß des größeren Baukörpers, über eine als Bibliothek gestaltete Treppe erreicht man die Galerie, an die sich der Platz für die Kleinen anschließt. Direkt vor dem Elternbereich liegt der großzügige Pool – von der Badewanne aus hat man einen grandiosen Blick direkt darauf. Ein essenzielles Element sind die Öffnung zum Garten und der Garten selbst, der bewusst puristisch gehalten ist. „Es gibt zwar ein paar Hochbeete und neben dem Pool wurden Gräser gesetzt“, erklärt die Architektin, der Großteil sei aber einfach Rasen, ohne gartenarchitektonische Gestaltung, Büsche, Bäume oder Blumen, nur der Grünbereich vor dem Haus sei bepflanzt worden. Bleibt mehr Konzentration für das lebendige Spiel der Fassade: Die beweglichen Holzläden verleihen dem Haus unterschiedliche Erscheinungsbilder, je nach Bedarf und Wunsch als offene oder geschlossene Hülle.
www.heimspiel-architektur.at

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