Buwog-Prozess

Plädoyer: Grasser wurden "beste Jahre seines Lebens genommen"

Manfred Ainedter und Karl-Heinz Grasser
Manfred Ainedter und Karl-Heinz GrasserAPA/HERBERT NEUBAUER
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Anwalt Manfred Ainedter fordert für Ex-Minister Karl-Heinz Grasser einen Freispruch von allen Anklagepunkten. Zeugen hätten vor Gericht gelogen, die Staatsanwälte falsch gehandelt.

Es ist der 167. Verhandlungstag im Korruptionsprozess um die Affären Buwog, Terminal Tower, Parteikassen und Villa - und damit jener Tag, an dem die Verteidiger des Hauptangeklagten, Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, ihre Schlussplädoyers abhalten. Und damit den beiden Oberstaatsanwälten Gerald Denk und Alexander Marchart Paroli bieten. Letztere hatten gestern, Dienstag, Schuldsprüche für alle 15 Angeklagten gefordert und Grasser vorgeworfen, einst zweieinhalb Millionen Euro an Bestechungsgeld in seine Taschen fließen gelassen zu haben. Grassers Anwalt, Manfred Ainedter, konterte dem entschieden und forderte einen Freispruch von allen Anklagepunkten.

Es gebe gar nicht ausreichend Superlative, um diesen „Jahrhundertprozess“, dieses „epochale Verfahren“ adäquat zu beschreiben, meinte er. Der Prozess sei von einer medialen Vorverurteilung von Grasser begleitet worden, kritisierte er - um kurz darauf Richterin Marion Hohenecker für ihre „überaus faire und um Objektivität bemühte Prozessführung“ zu loben. (Detail am Rande: Noch zu Prozessbeginn wurde die Vorsitzende des Schöffensenats von Ainedter und seinem Verteidigerkollegen Norbert Wess scharf attackiert, sie unterstellten ihr, befangen zu sein.)

Die Anklageschrift sei von Anfang an auf „tönernen Füßen" gestanden, so Ainedter mit Blick auf die beiden Oberstaatsanwälte. Sie beinhalte Unterstellungen, es sei der Staatsanwaltschaft darum gegangen, Grasser als „Harry Potter der Privatisierungen" darzustellen, kritisierte er.

Geständnis von Hochegger "nicht zu glauben"

Den Belastungszeugen Willibald Berner, der gemeint habe, Grasser, die beiden Lobbyisten Peter Hochegger und Walter Meischberger, sowie der frühere Immobilienmakler Ernst Karl Plech, hätten einen „Tatplan“ verfolgt, um bei Privatisierungen des Bundes mitzuschneiden, nannte Ainedter einen Lügner. Auch den zweiten Belastungszeugen im Prozess, Michael Ramprecht, bezeichnete der Anwalt als unglaubwürdig: Ramprecht habe im Wiener Landesgericht „seine Lügen verbreitet" und sich „einfach nur wichtig machen" wollen. „Es war die enttäuschte Zuneigung und Bewunderung für Grasser, die dann in Hass umgeschlagen hat“, erläuterte er.

Auch das Teilgeständins, das Hochegger zu Beginn des Prozesses im Dezember 2017 abgelegt habe, gehöre in diese Reihe, meinte Aindeter. Zur Erinnerung: Hochegger hatte ausgesagt, ein Bankberater aus Liechtenstein habe ihm gesagt, dass das Geld aus der Buwog-Provision in Liechtenstein auf drei Konten aufgeteilt werde, die Meischberger, Plech und Grasser gehörten. Die drei bestreiten eine derartige Aufteilung.

Objektivitätsgebot „von Anfang an mit Füßen getreten"

Insgesamt hätten die Befragungen von 150 Zeugen - mit Ausnahme der beiden oben genannten - keinen Beweis gegen Grasser erbracht. Für die Behauptung der Staatsanwaltschaft einer Bestechung Grassers gebe es keinen Beweis, schlussfolgerte Ainedter. Die Staatsanwaltschaft habe das Objektivitätsgebot der Strafprozessordnung „von Anfang an mit den Füßen getreten", denn die Staatsanwälte müssten auch das Positive berücksichtigen. Der Anwalt warf der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zudem ein „Geheimtreffen" mit Hocheggers früherem Anwalt mit der Leiterin der WKStA vor, weiters die Führung eines „Schattenakts". Überdies hätten sie im Ermittlungsverfahren zu drei Angeklagten gesagt, „liefern Sie uns den Grasser, es soll Ihr Schaden nicht sein".

„Das Verfahren hat eine allfällige Strafe mehr als ersetzt und Karl-Heinz Grasser die besten Jahre seines Lebens genommen", sagte Ainedter. Und er zitierte zum Abschluss den Sektionschef im Justizministerium, Christian Pilnacek: „Es darf nicht sein, dass das Verfahren eine allfällige Strafe ersetzt.“ 

Nach Ainedter erhobt sich Grassers zweiter Anwalt, Norbert Wess, um sein Plädoyer vorzutrage - und machte dort weiter, wo sein Kollege aufgehört hatte: bei der Kritik an der Anklagebehörde. Dass Grasser das Angebot der CA Immo für die Bundeswohnungen (Buwog u.a.) über die Mitangeklagten Meischberger und Hochegger an den Mitbewerber Immofinanz weitergegeben habe sei nicht korrekt. Vielmehr hätten mindestens 100 Personen den Betrag von 960 Millionen Euro gekannt. Auch für Ramprecht hatte er scharfe Worte parat - und Unterlagen: Er brachte E-Mails von Ramprecht vor, in denen dieser gemeint habe, er könne „ganz unangenehm werden", und zitierte aus Telefonaten des Zeugen.

Auch Meischberger Verteidiger, Jörg Zarbl, forderte in seinem Schlussplädoyer einen Freispruch für seinen Mandanten. Es lägen keine Beweise für den angeklagten Tatplan von Meischberger, Ex-Finanzminister Grasser und anderen vor. Dass ein Konto von Meischberger in Liechtenstein in Wirklichkeit Grasser gehöre, wie die Staatsanwaltschaft behauptet, stimme nicht, so Zarbl. Belastende Aussagen von zwei Zeugen seien auf Rachegelüste zurückzuführen. Entlastende Aussagen seien von der Staatsanwaltschaft nicht verfolgt worden. "Es ging nur darum, Karl-Heinz Grasser zu jagen", so Zarbl in Richtung Schöffensenat.

Dass sich Meischberger in seinen Aussagen auf zwei Tote - den Ex-Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider und den ehemaligen Porr-Chef Horst Pöchhacker - und einem nicht mehr vernehmungsfähigen Zeugen beruft, dürfe seinem Mandanten nicht zum Nachteil gereichen, meinte Zarbl. Dies gelte auch für die ebenfalls angeklagte Causa Terminal Tower Linz. Den Vorwurf der Beweismittelfälschung wies der Rechtsanwalt zurück, richtig sei aber, dass ein Vertrag zwischen Meischberger und dem mitangeklagten Immobilienmakler Plech zu angeblichen Immobilieninvestments des Ex-FPÖ-Generalsekretärs Meischberger Jahre später verschriftlicht und rückdatiert wurde. Dies sei aber normal, wenn man einen Autokauf mündlich vereinbare und dann Wochen später einen Kaufvertrag ausstelle, dann würde man auch das Datum der mündlichen Vereinbarung einfügen, meinte Zarbl.

Meischberger sieht sich als „außergrundbüchlicher“ Villenbesitzer

Auch beim Anklagefaktum Linzer Terminal Tower sei Meischberger unschuldig. Denn er habe für das Honorar von der Porr, 200.000 Euro, zahlreiche Beratungsleistungen für den Baukonzern erbracht. Und auch beim Faktum Telekom sei Meischberger freizusprechen, so der Anwalt. Er habe ein Honorar vom Lobbyisten Hochegger bekommen, über die Hintergründe der Finanzierung durch die Telekom Austria habe er nichts gewusst. Meischberger habe für das erhaltene Geld etwas geleistet bzw. sei er leistungsbereit gewesen.

In der ebenfalls angeklagten Causa Villenverkauf werde Meischberger Prozessbetrug vorgeworfen, dabei habe er nur auf den Rat seiner damaligen Rechtsanwälte gehört und den Rechtsweg gegen den Verkauf des Hauses in Wien Döbling beschritten. Dies alleine könne ja nichts Schlechtes sein, im Übrigen habe man gegen die Geschäftspartner von Meischberger beim Villenkauf- und verkauf eine Anzeige wegen Prozessbetrugs eingebracht. Meischberger sieht sich trotz des Verkaufs des Hauses weiterhin als "außergrundbüchlicher Eigentümer" der Liegenschaft.

„Sein Geständnis lässt nicht zu, dass sie unschuldig sind“ 

Der Verteidiger des angeklagten Ex-Lobbyisten Hochegger, Leonhard Kregcjk, strich in seinem Schlussplädoyer hervor, dass sein Mandant mit offenen Karten gespielt habe und ein Geständnis abgelegt hatte. Niemand erfinde so ein Geständnis - "was man erfindet, sind Ausreden", so der Verteidiger. Das Geständnis habe Hochegger ins Visier der Angriffe von Grasser und Meischberger gebracht, "weil sein Geständnis nicht zulässt, dass sie unschuldig sind". Hochegger hatte gestanden, er habe von einem Bankberater erfahren, dass die Buwog-Provision in Liechtenstein auf drei Konten von Grasser, Plech und Meischberger aufgeteilt werde - was Meischberger, Plech und Grasser bestreiten.

Hochegger habe ausgesagt, dass die Übermittlung der Informationen aus dem Bundeswohnungsprivatisierungsverfahren in der heißen Phase an die Immofinanz in zwei Schritten erfolgt sei. Das habe auch Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics bestätigt. Die Informationsweitergabe wie sie Meischberger behauptet, der alles auf einmal telefonisch vom - mittlerweile verstorbenen - Kärntner Landeshauptmann Haider erfahren haben will, sei dadurch widerlegt, argumentierte der Verteidiger. Um Hochegger zu diskreditieren, sei er hier im Gerichtssaal in der Badehose dargestellt worden, so der Anwalt. Durch Hocheggers Geständnis seien aber wirklich die Hüllen gefallen - "man kann sich ausrechnen, wer seit dem Geständnis supernackert dasteht".

Sein Mandant ersuche um eine schuld- und tatangemessene Bestrafung bezüglich der Vorwürfe, die er gestanden habe. Wo er sich nicht schuldig verantworte, ersuche er um einen Freispruch, nämlich beim Linzer Bürohaus Terminal Tower, weil er nur als Rechnungsstelle für die 200.000-Euro-Provision gedient habe. Einen gemeinsamen Tatplan habe es nicht gegeben, denn Grasser, Plech und Meischberger hätten aliquot geteilt, Hochegger habe weniger bekommen, so Anwalt Kregcjk. Bezüglich der 300.000 Euro, die er bei der Auszahlung der Buwog-Provision "zu viel" von der Immofinanz bekam, habe Hochegger Selbstanzeige erstattet.

(hell/APA)

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