Akademiker: "Österreich will die gut Qualifizierten nicht"

Akademiker oesterreich will Qualifizierten
Akademiker oesterreich will QualifiziertenBruckmeier
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Viele Studenten aus dem Ausland möchten nach ihrer Ausbildung in Österreich arbeiten. Doch häufig scheitern sie an den hohen Hürden. Der deutsche Markt hingegen nimmt sie auf.

"Ich liebe Österreich und möchte hier bleiben“, sagt Hamid. Doch sobald der Medizinstudent sein Studium beendet hat, muss er das Land verlassen. Außer, er bekommt eine Stelle als Schlüsselkraft, kann ein monatliches Einkommen von 2460 Euro brutto nachweisen und sein Arbeitgeber kann bezeugen, dass nur er und kein inländischer Arbeitnehmer den Job qualifiziert ausüben kann.

Aus Sorge vor der Ausweisung verschiebt Hamid seit einem Jahr seine letzte schriftliche Prüfung und hält seine Diplomarbeit zurück. Vor zwei Monaten schaltete er sogar einen Anwalt ein, der sich nun um eine Aufenthaltsgenehmigung bemüht. In der Zwischenzeit arbeitet er ehrenamtlich für unterschiedliche Institute in der Forschung. Der Ruf nach qualifizierten Zuwanderern mancher Politiker lässt ihn nur müde lächeln. Hamid: „Österreich finanziert unser Studium, will uns aber nicht hier behalten.“

August Gächter, Projektleiter im Zentrum für soziale Innovation, weist darauf hin, dass Zuwanderer mit österreichischen Abschlüssen hierzulande bessere Chancen auf einen adäquaten Job haben sollten. Allerdings: Die Quote für Schlüsselkräfte werde derzeit nicht ausgeschöpft. Und, so Gächter, die aktuelle Diskussion laufe vollkommen faktenfrei: „Es wundert mich, dass man im Jahr 2010 öffentlich ohne ein Konzept auftreten kann.“

Auch Minoo Rahimi, Allgemeinmedizinerin und Vorstandsmitglied der österreichisch-iranischen Ärztegesellschaft, kann nicht verstehen, dass viele Universitätsabsolventen nicht in Österreich bleiben dürfen, wo doch der Ruf nach qualifizierten Zuwanderern so hoch ist. Der deutsche Markt stehe hingegen für österreichische Universitätsabsolventen weit offen. Rahimi: „Die Studenten werden auf Kosten der österreichischen Steuerzahler ausgebildet – und Deutschland nimmt sie auf.“

Unverständlich ist es für Rahimi auch deswegen, weil Österreich unter einem wachsenden Ärztemangel leide. Das werde sich im Laufe der nächsten zehn Jahre noch verschärfen, prognostiziert sie. Vor zehn Jahren, sagt Rahimi, „sind wir Mediziner Schlange gestanden und haben Arbeit gesucht“, heute sei es umgekehrt.

Mangel an Ärzten

Das Problem des Ärztemangels gab es in Österreich schon einmal in den 1960er- und 1970er-Jahren. Damals hat man auch ausländische Ärzte ins Land geholt. In kleinen Städten und entlegenen Orten in Niederösterreich und der Steiermark seien viele iranische und irakische Ärzte, die heute im Pensionsalter sind, sagt Rahimi.

Ein weiteres Problem stellt das zu hoch angesetzte Mindestgehalt für Schlüsselkräfte dar, auch für Medizinabsolventen. Rahimi: „Ich könnte es mir nicht leisten, an einen Jungmediziner ein so hohes Gehalt zu zahlen.“ Wissenschaftsministerin Beatrix Karl bezeichnet das Mindesteinkommen für Berufseinsteiger sogar als „unüberwindbare Hürde“.

Die Ministerin forderte deswegen erst kürzlich, dass Hochschulabsolventen aus Drittstaaten hier auch arbeiten dürfen. Tatsächlich gab es im Studienjahr 2008/2009 insgesamt 1300Absolventen aus einem Drittstaatenland – von insgesamt 27.232 Absolventen.

Jeder fünfte Student außerhalb der EU hat dabei ein technisches Studium abgeschlossen, dagegen entscheidet sich nur jeder achte Österreicher für ein technisches Studium. 42Prozent der Industrieunternehmen beklagen einen Fachkräftemangel im Bereich Technik und Produktion, immerhin 54 Prozent fehlt es an Personal im Bereich Forschung und Entwicklung.

Doch nicht nur die Hürde des Mindesteinkommens ist für Studenten aus Drittstaaten ein Problem, sondern auch, einen Arbeitgeber zu finden, der bereit ist, einen Antrag beim Arbeitsmarktservice zu stellen, um die Person als Schlüsselkraft einzustellen.

Bürokratische Hürden

Die 26-jährige Architekturstudentin Nahid hat sich während des Studiums zwei Jahre lang bemüht, eine geringfügige Arbeit zu finden. Einige Arbeitgeber wollten sie zwar als technische Zeichnerin aufnehmen, die bürokratischen Hürden hätten sie aber immer abgeschreckt – bis ihr jetziger Arbeitgeber bereit war, die Formulare auszufüllen und einzureichen.

„Es ist dumm, nach qualifizierter Zuwanderung zu verlangen, während Österreich eine Menge Geld in die Ausbildung zugewanderter Studenten investiert und dann nachher sagt, wir brauchen euch nicht“, sagt Kojo Taylor, der an der TU Wien Angewandte Technologie und Grundlagenforschung lehrt. Die Absolventen seien gut integriert und beherrschten auch die deutsche Sprache. Sie, so glaubt er, könnten einen großen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Aber: „Viele Studenten sehen keine Möglichkeit, in Österreich einen Job zu bekommen.“

AUF EINEN BLICK

Qualifikation: Für Absolventen aus Nicht-EU-Staaten ist es schwierig, in Österreich zu einem Job zu gelangen. Möglich wäre dies durch eine Stelle als Schlüsselarbeitskraft. Eine solche ist allerdings mit hohen bürokratischen Hürden verbunden. Der deutsche Markt steht für diese Uni-Absolventen hingegen weitgehend offen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2010)

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