Zahlungsmoral

Die Krise macht uns verlässlicher

Reuters/ Grafik: Petra Winkler
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Rechnungen werden schneller beglichen als vor der Coronakrise. Firmen haben sogar weniger Forderungsverluste. Im Gegensatz zum Bund zahlen Bürger besonders pünktlich.

Wer hätte das gedacht? Ausgerechnet inmitten einer Wirtschaftskrise legen Österreicher eine Zahlungsdisziplin an den Tag, die international ihresgleichen sucht. Firmenkunden zahlen ihre Rechnungen fünf Tage früher als vor dem Ausbruch der Pandemie. „Die Zahlungsmoral ist besser geworden“, sagte Ricardo-José Vybiral, Chef des Kreditschutzverbandes KSV1870, zu den Ergebnissen einer Umfrage unter 1200 Unternehmen im August.

Überraschend, denn die Zahlungsfrist hat sich sogar verkürzt. Im vergangenen Jahr hatten Firmen 24 Tage Zeit, ihre Rechnungen zu bezahlen. Heuer muss früher überwiesen werden – nämlich nach 18 Tagen. Im Schnitt brauchen Österreicher 24 Tage. Somit ergibt sich ein Zahlungsverzug von sechs Tagen. Im internationalen Vergleich ist das phänomenal. In den USA wird laut Atradius um drei Monate überzogen – doppelt so viel wie im Jahr 2019. Im vergangenen Jahr konnten in Europa nur die Deutschen und die Briten mit der heimischen Pünktlichkeit mithalten. (Aktuelle Zahlen liegen für diese Länder noch nicht vor.)

Vorarlberg ist Musterschüler

Obwohl neun von zehn Firmen in Österreich mit den Folgen von Covid-19 zu kämpfen haben, begleichen 77 Prozent der Firmenkunden ihre Rechnungen innerhalb des vereinbarten Zahlungszieles. Sogar Forderungsverluste verringerten sich. Heuer waren es fünf Prozent des Umsatzes – 2019 waren es noch 5,6 Prozent. Dennoch müssen 60 Prozent der Betriebe offenen Rechnungen nachlaufen. Im vergangenen Jahr waren es zwar noch 78 Prozent, es bleibt aber dennoch mühselig.

Inzwischen sei eine schriftliche Mahnung überholt, sagte Walter Koch, Chef des KSV-Forderungsmanagements. „Zuletzt haben wir gemerkt, dass die telefonische Mahnung wieder an Bedeutung gewonnen hat. Gleichzeitig stellen wir fest, dass das Gesprächsklima am Telefon konstruktiver ist und viele an einer für beide Seiten sinnvollen Lösung interessiert sind“, erklärte Koch. Musterschüler unter den Bundesländern ist Vorarlberg. Dort überziehen die Betriebe nur um zwei Tage – in Salzburg hingegen um zehn.

Auf einen Blick

Die Zahlungsmoral hat sich in Österreich verbessert. Die Pandemie hat für das Thema Finanzen sensibilisiert. So bezahlen Privatpersonen ihre Rechnungen ohne Verzug. Firmenkunden zahlen im Vergleich zum Vorjahr um fünf Tage früher. Nur der Bund braucht 13 Tage länger und benötigt insgesamt 49 Tage. Im Ganzen werden 1,9 Millionen Rechnungen nicht bezahlt.

Insgesamt werden 1,9 Millionen Rechnungen in der Höhe von 1,35 Milliarden Euro jährlich selbst nach Zahlungserinnerung und Mahnungen nicht bezahlt. Hauptgrund bleibt wie im Vorjahr eine ineffiziente Verwaltung. Interessanterweise geben 30 Prozent einen Liquiditätsengpass als Grund an, im Vorjahr waren es noch mehr als 40 Prozent. Überschuldung war nur für sieben Prozent ein Problem.

Besonders brav sind die Bürger. Privatpersonen zahlen sogar um zwei Tage früher als noch vor der Krise, nämlich nach 13 Tagen. Angesichts der wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Krise auf Konsumenten, wie Kurzarbeit oder Jobverlust, sei dies durchaus erstaunlich. Vybiral sieht eine größere Sensibilität für das Thema Finanzen. „Der Haushalt ist im Fokus, weil man mehr zu Hause ist.“

Auch hier gehen Vorarlberger mit glänzendem Beispiel voran. Sie zahlen einen Tag vor der Frist – Salzburger sogar zwei Tage früher.

Bund lässt sich Zeit

Hauptgrund für das Nichtbezahlen bei mehr als der Hälfte der Privatpersonen: die Vergesslichkeit. Nur ein Fünftel gibt dem Virus die Schuld. Interessant: Arbeitslosigkeit macht nur zehn Prozent aus. Und Überschuldung ist kaum ein Thema: Nur 13 Prozent gaben dies als Grund an, weniger als im Jahr zuvor (22 Prozent).

Am längsten lässt sich der Bund Zeit. Die Zahlungsdauer der Bundesbehörden stieg um 13 Tage. Insgesamt benötigen sie 49 Tage, um offene Rechnungen zu begleichen. „Diese immense Verschlechterung ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass zahlreiche Unternehmen unterschiedlichste Covid-19-Fördermittel beantragt haben, auf die sie gefühlt lang warten mussten“, so Koch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2020)

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