Schlecker sucht Streit und verliert Kunden

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Der Drogeriediskonter Schlecker zahlt keine Überstunden mehr an seine Mitarbeiter aus. Fehlt dem Konzern das Geld? Der unfreundliche Umgang mit dem Personal bleibt auch Schlecker-Kunden nicht verborgen.

Wien (gau). Hat er nun, oder hat er nicht? „Du blöde Kuh“, soll Anton Schlecker einer Betriebsrätin gegenüber gepoltert haben. Das wollte sich die Frau nicht gefallen lassen und klagte. Der Gründer von Europas größter Drogeriemarktkette ließ über seinen Anwalt alles dementieren. Auf jeden Fall deutete schon die dicke Luft beim missglückten Schlichtungstermin vor zwei Wochen darauf hin, dass beim schwäbischen Diskonter ein neuer Krieg zwischen Mitarbeitern und Führung droht. Jetzt ist er ausgebrochen: Anhand ihres Juli-Lohnzettels mussten die Angestellten feststellen, dass ihre Überstunden nicht abgerechnet wurden. Erst später erfuhren sie, wo ihre Mehrarbeit buchhalterisch gelandet ist: auf einem Stundenkonto.

Das ist an sich nichts Ungewöhnliches. Viele Unternehmen gehen von teuren Überstunden ab und richten Arbeitszeitkonten ein, mit denen sie flexibler auf Schwankungen der Auslastung reagieren können. Nur passiert das üblicherweise in Absprache mit der Belegschaft und auf Basis einer Vereinbarung. Es geht darum, in welchem Verhältnis die Mehrarbeit zur Freizeit steht, in welcher Frist das Guthaben ausgeglichen wird und wie der Mitarbeiter seine Ansprüche wahren kann, wenn er die Firma verlässt.

Nichts von all dem wurde bei Schlecker fixiert. Also müsste der Firmen-Tarifvertrag gelten, der im Juni abgeschlossen wurde. Er sollte, nach langem Streit um Lohndumping durch Leiharbeiter, den internen Frieden besiegeln. In ihm aber wird für eine Freizeitabgeltung von Stunden das Einverständnis des Mitarbeiters gefordert.

„Hässliches Gesicht“ des Handels

Der unfreundliche Umgang mit dem Personal bleibt auch Schlecker-Kunden nicht verborgen. Und sie reagieren, indem sie abwandern – in Scharen. Allein von Jänner bis April, ermittelten die GfK-Marktforscher, hat der Noch-Marktführer in Deutschland einen Umsatzeinbruch von 16 Prozent erlitten. Darob reiben sich dm und Rossmann die Hände. Auch in Österreich befindet sich Schlecker auf dem Rückzug. 100 Filialen wurden in den letzten zwei Jahren geschlossen, um sieben Prozent ging der Umsatz im ersten Halbjahr zurück. Profitieren konnten davon vor allem Spar und Hofer.

Auch hierzulande befindet sich der Diskonter im Dauer-Clinch mit Gewerkschaftern. Akute Konflikte wegen Überstunden gäbe es nicht, erklärt Karl Proyer, Chef der Angestelltengewerkschaft GPA, der „Presse“. Aber die könne sich Schlecker Österreich sparen, weil man dem Betriebsrat eine „sehr schräge Vereinbarung“ abgerungen habe, die Mitarbeiter um den gesetzlichen Zuschlag „prellt“.

Bleiben die Kunden wegen der schlechten Presse weg? Das vermutet sogar der Schlecker-Marketingleiter Uwe Blank. Er schrieb an die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, dass „Schlecker seit vielen Monaten stark unter Imageverlusten leidet, die das Unternehmen und damit auch Arbeitsplätze gefährden“. Solch überraschende Offenheit nährt freilich Spekulationen. Etwa jene, dass es der Firma so schlecht geht, dass sie mangels Liquidität die Überstunden gar nicht bezahlen könnte. Die „FAZ“ zitiert Filialleiterinnen, die sich Sorgen machen über stockende Lieferungen und leere Regale.

So weit ist es in Österreich wohl noch nicht. Handelsexperte Peter Schnedlitz nimmt die heimische Tochter in Schutz: „In Deutschland ist Schlecker zum hässlichen Gesicht des Handels geworden. Das färbt ab, auch wenn es hier freundlicher zugeht.“ Dass Schlecker auch in Österreich am Rückzug ist, liege vor allem an der falschen Strategie: „Ein Kraut-und-Rüben-Sortiment auf zu kleiner Fläche, an schlechten Standorten und mit schlechtem Betriebsklima – das kann auf Dauer nicht gut gehen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2010)

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