Geschmacksfrage

Testessen im Paul & Vitos

Philipp Lipiarski
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Ein neues Hipsterinnen-Bistro am Wiener Petersplatz: Schaut aus wie ein Pariser Bonbonladen, vertreibt mit guter Küche und Crémant die Krise.
 

Es handelt sich um ein echtes Dilemma. Nach Jahrzehnten der Suche nach dem Lieblingskaffeehaus habe ich das Engländer aus subjektiven Gründen (sachliche Inneneinrichtung, sehr passable Küche, Kellner mit der richtigen Mischung aus Freundlichkeit und Distanz) und objektiven (U3-Nähe, morgens Frühstück, mittags Lunch, abends leichte Nachtlokalstimmung) auserwählt. Mehlspeisen brauche ich nicht. Natürlich würde ich nie positiv über mein Stammcafé schreiben, ich will dort spontan immer einen Tisch bekommen.

Nun hat aber der Betreiber, Christian Wukonigg, ein neues Lokal eröffnet – und jetzt wird es kompliziert. Erstens bat er mich, erst nach der Probezeit darüber zu schreiben, zweitens hat das neue „Paul & Vitos“ (benannt nach den Söhnen) so viel mit dem Engländer zu tun wie das Fabios mit der Pizzeria Mafiosi, und drittens verliere ich womöglich den Tisch im Stammhaus, wenn ich schlecht über die neue Petersplatz-Bude schreibe. Aber als knallharter Armin Wolf der Restaurantkritik gehe ich ungeniert am Tag zwei testen.

Oskar Schmid

Das Lokal wurde dank bunt-grünlicher Fliesen wie eine wunderbar kitschig-opulente Neo-Brasserie, genannt Essbar, eingerichtet. Man würde hier eher die Wien-Filiale des Pariser Makronentempels Ladurée erwarten, aber die Zielgruppe jüngerer Innenstadt-Shopper und Crémant-Trinker wird sich hier auch wohlfühlen. Zu Beginn hat der Koch vom Engländer übernommen, der sich viel vorgenommen hat: Die Bandbreite geht von Wien nach Asien und zurück nach Italien. Die Portionen werden ebenso knapp bemessen wie die dazugehörigen — angesichts der Lage fairen — Preise. Beginnen wir bei den wirklich perfekten Gerichten: „Mangold-Tarte“, also Quiche, schmeckt dank luftiger Konsistenz und süß-saurer Tomaten-Chutney-Begleitung schlicht großartig.

Ebenso wirklich empfehlenswert sind Rindsbackerln mit Püree und nicht zu wenig dickem Rindsbratensaft. Als tadelloses Snackgericht sei auch die kleine, kross mit Panko-Bröseln gebackene Fledermaus erwähnt sowie etwas zu groß dimensionierte Entenleber-Knödel. Einzige kleine Kritikpünktchen – Sie lesen schon meine Ängstlichtkeit – ergibt das Korean Fried Chicken; die Hühnerflügel wurden mit etwas zu dickflüssigem Teriyaki bestrichen. Und die Buchteln könnten flaumiger sein. Aber als Gesamtleistung ist alles schon ziemlich bemerkenswert. Und wenn ein Gastronom jetzt ein Lokal in der Innenstadt eröffnet, sollte er sowieso das Goldene Verdienstzeichen verliehen bekommen.

Paul & Vitos, Petersplatz 11, 1010 Wien,
Tel.: +43/(0)1/532 37 66,
Restaurant: Mo–Sa: 11–1 Uhr.

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