Jarosch: Jeder glaubt, es gibt diese Nähe zur Politik

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Staatsanwälte-Präsident Gerhard Jarosch sieht die Anklagebehörden in einer kritischen Situation. Die Regierung hat immerhin ein wenig mehr Personal für die Justiz zur Verfügung gestellt. Es wird nicht reichen.

„Die Presse“: Welche Schulnote geben Sie den Staatsanwaltschaften?

Gerhard Jarosch: Uns selbst zu beurteilen, wäre vermessen. Wir können die Probleme aufzeigen, die man lösen sollte, um eine besser funktionierende Justiz zu erreichen.

Welche Probleme sind das?

Jarosch: Die viel angesprochene Verfahrensdauer ist mit Sicherheit ein Problem. Zum einen dauern manche Verfahren wirklich so lange, wenn ich etwa mehrere Terabyte an beschlagnahmten Daten durchschauen muss – und zwar jedes einzelne Blatt, ob ich da etwas Relevantes finde. Das kann ich nur beschleunigen, indem ich mehr Personal, Staatsanwälte, Polizeibeamte, Experten beiziehe. Die Regierung hat immerhin ein bisschen mehr Personal für die Justiz zur Verfügung gestellt. Es wird nicht reichen, um eine wirklich drastische Verfahrensbeschleunigung zu erreichen. Ein zweites Problem ist, dass die Öffentlichkeit glaubt, dass wir ruckzuck zu einem Ergebnis kommen. Aber als Staatsanwalt muss ich eine Beweissammlung vornehmen, die wasserdicht ist. Und die am Ende zu einem Schuldspruch oder zu einer Verfahrenseinstellung führt.

Das heißt, Kanzler Faymann hat recht, wenn er beschleunigte Verfahren fordert.

Jarosch: Wir sollten die Verfahren tatsächlich schneller führen. Aber sie müssen auch so gründlich geführt werden wie möglich.

Sehen Sie die Kulterer-Verhaftung als Befreiungsschlag des Justizressorts?

Jarosch: Man glaubt tatsächlich, dass – weil in den Medien etwas steht – etwas vorangetrieben wird. Wir arbeiten seit Monaten an diesen Verfahren. Wir lassen uns nicht beeinflussen.

Wie groß ist der politische Einfluss auf die Staatsanwaltschaften in Österreich?

Jarosch: Der tatsächliche politische Einfluss ist minimal. Es gab im letzten Jahr etwa zwei Weisungen der Justizministerin an die Staatsanwaltschaft. Und im Jahr davor waren es drei. Also das ist lächerlich. Das Problem ist nicht, ob wir tatsächlich einen politischen Einfluss haben, sondern dass jeder glaubt, es gibt diese Nähe zur Politik und wir würden daher von der Politik gegängelt werden. Dieser Anschein ist das Problem.

Wie wollen Sie es beheben?

Jarosch: Wir müssen bei der Weisung nachdenken, ob es optimal ist, dass ein Regierungsmitglied, wenn auch parteilos im konkreten Fall, Weisungen erteilen kann. Es liegt am System. Wir werden in die Nähe der Politik gerückt, weil es diese Einflussmöglichkeit gibt. Deswegen vertraut uns anscheinend nicht mehr die Mehrheit in diesem Land, dass wir die Sachen unbeeinflusst machen.

Das Weisungsrecht abschaffen?

Jarosch: Ich bin nicht für die Abschaffung des Weisungsrechts, kein Staatsanwalt ist das. Wir sind für die Änderung der Weisungsspitze. Die Möglichkeit, Weisungen zu erteilen, sollte bei einer möglichst politikfernen Institution liegen. Es gibt etwa das Modell eines Generalstaatsanwalts. Oder jenes eines Gremiums der vier leitenden Oberstaatsanwälte.

Soll die auch nicht besonders gute mediale Darstellung der Staatsanwaltschaften geändert werden?

Jarosch: Dort, wo wir Öffentlichkeitsarbeit machen können, sollten wir sie besser machen. Es ist anzudenken, ob wir nicht wieder einen Sprecher oder eine Sprecherin der Justiz haben sollten, wie wir es bis vor etwa zehn Jahren hatten.

Gesamt gesehen: Noch nie gab es so heftige Kritik an den Staatsanwaltschaften.

Jarosch: Es ist eine sehr, sehr kritische Situation für uns. Ein Bereich, der uns sehr, sehr schmerzt: Wenn ein Politiker eine bestimmte Sache gemacht haben soll, die öffentlich als zumindest unanständig erscheint, wir aber zum Ergebnis kommen, dass das gerichtlich überhaupt nicht strafbar oder nicht beweisbar ist und daher das Verfahren einstellen, werden wir auch dafür geprügelt, dass es keine politischen Konsequenzen gibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2010)

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