Clubszene

Wien bei Nacht: Eine Vermessung

Auf einen Sommer der Hoffnung folgt für die Clubs mit den steigenden Coronazahlen die Ernüchterung: Es herrscht Katerstimmung in der Szene. Über das stille Wien bei Nacht und ein Stück verloren gegangene Jugendkultur.

In einem Keller in Meidling wurde die heimische Clubkultur geprägt, wie kaum anderswo im Land: Vor 40 Jahren sperrte das U4 in der Schönbrunner Straße auf.

Hier spielte Ende der 1980er-Jahre die (damals noch unbekannte) Band Nirvana und Prince trat unangekündigt nach einem Konzert in der Wiener Stadthalle auf. Unzählige Geschichten über Stammgast Falco kursieren durch Wien. Und zu den Besuchern zählten neben dem Sänger auch weitere internationale Prominente wie Marilyn Manson und die Mitglieder der Band Die Ärzte.

Freilich, diese goldenen Zeiten für den Club sind vorbei, es ist ruhiger geworden im U4. Seit März ist es dort aber vollkommen still, der Club hat seit mehr als einem halben Jahr geschlossen. „Und es ist kein Aufsperren in Sicht“, sagt Betreiber Michael Gröss. Die Wiener Clubszene ist durch das Coronavirus schwer getroffen worden, mit wenigen Ausnahmen wird in den Lokalen längst nicht mehr gefeiert.

Katerstimmung

Im Frühsommer kam so etwas wie Hoffnung auf. Die Maßnahmen wurden gelockert und die Sperrstunde auf ein Uhr ausgeweitet. Manche Clubs konnten bei den warmen Temperaturen ihre Außenbereiche nutzen oder führten in ihren Lokalen Sitzkonzerte und Gastrokonzepte ein. Und es wurden Experimente gewagt: Die Grelle Forelle war Mitte August der erste Club, der mit einem Präventionskonzept wieder aufsperrte. Gerald van der Hint, DJ und selbst ernannter „Techno-Aktivist“, hatte mit Freunden das Konzept für ein „Technokonzert“ erarbeitet: mit gestaffelten Einlasszeiten, teilweiser Maskenpflicht und Stühlen auf der Tanzfläche.

Im August demonstrierten in Wien mehr als tausend Menschen auf den Straßen, die Unterstützung von der Regierung für die Clubs der Stadt forderten. Dass etwa Bordelle bereits wieder aufsperren durften, sorgte für Verärgerung. Der Bund sicherte den Clubs die Übernahme aller Fixkosten zu, die in der Szene lang gefordert wurde. Und die Stadt Wien versprach, zur Förderung der Clubkultur insgesamt drei Millionen Euro an die Nachtlokale auszuzahlen.

Mit dem Herbst kam aber die Ernüchterung. Die zweite Phase des Fixkostenzuschusses hätte im September starten sollen, derzeit verhandelt man aber noch mit der EU. „Alle warten gerade darauf, ob der hundertprozentige Fixkostenzuschuss durchkommt“, sagt Martina Brunner von der Interessensvertretung Vienna Club Commission. „Davon ist abhängig, dass Clubs überlegen können, wie lang sie Rücklagen noch nutzen können, um die Insolvenz herauszuzögern.“ Wann dies geklärt sei, stehe noch in den Sternen.

Mit den steigenden Coronazahlen ist außerdem ein normaler Betrieb von Clubs wieder in die weite Ferne gerückt. In anderen Bundesländern wurde die Sperrstunde bereits vorgezogen, Wiens Bürgermeister Michael Ludwig sprach sich zuletzt gegen eine Vorverlegung der Sperrstunde auf 22 Uhr aus. „Noch ist es unklar, wie es um Wien steht“, sagt Brunner dazu.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.