Wirtschaft

Lehrlinge sind auch in der Krise gefragt

Nach dem Lockdown ging die Befürchtung um, dass die Coronakrise bis zu 10.000 Lehrstellen kosten könnte. Der dramatische Einbruch blieb bisher aus. Doch alte Probleme wie das Ost-West-Gefälle und die einseitige Berufswahl treten nun stärker zutage. Steht der große Krach auf dem Lehrstellenmarkt noch bevor? Eine Spurensuche.

Das Arbeitsklima sei gut, sagt Dusan Panic. Trotzdem würde er gern in eine „echte Firma“ wechseln. Panic macht seit September eine Ausbildung zum Mechatroniker bei Jugend am Werk. Das ist einer der größten Anbieter überbetrieblicher Lehrstellen in Wien. In der überbetrieblichen Ausbildung, kurz „ÜBA“, kommen Jugendliche unter, die keine Lehrstelle in einem Unternehmen gefunden haben.

Das Arbeitsmarktservice rechnet wegen der Coronakrise mit einem steigenden Bedarf. Die Plätze werden deshalb um 30 Prozent aufgestockt. Doch in einem richtigen Betrieb, glaubt Panic, wäre die Bezahlung besser. Seine Hoffnung: Wenn man eine Lehre in einer Firma mache, „hat man danach einen fixen Arbeitsplatz“, sagt der 18-Jährige.

Aber fix ist in Zeiten wie diesen gar nichts. Die Arbeitslosenzahlen steigen, und Experten erwarten einen Mangel an Lehrstellen. 10.000 Ausbildungsplätze könnten wegfallen, prognostizierte die Gewerkschaft im Mai. Der Linzer Forscher Johann Bacher kalkulierte mit 7500 gefährdeten Lehrstellen. Und die internationale Arbeitsorganisation der UNO warnte vor einer „Generation Lockdown“. Weil Junge von der Krise härter und schneller getroffen würden als jede andere Gruppe.

Auf den ersten Blick ist die Situation jetzt im Herbst weniger schlimm als erwartet. Beim Arbeitsmarktservice wurden heuer bisher 23.216 offene Lehrstellen gemeldet, ein Rückgang um 3718 im Vergleich zu 2019. Die Zahl der Lehrstellensuchenden sank im selben Zeitraum um 7806 auf 38.752. Und Ende September gab es immer noch mehr offene Lehrstellen als Suchende (siehe Infokasten).

Auch in Gesprächen mit Unternehmern und Interessenvertretern entsteht der Eindruck, alles sei halb so wild. Renate Scheichelbauer-Schuster hat einen Elektrobetrieb in Pöchlarn im niederösterreichischen Bezirk Melk und ist Obfrau der Sparte Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer. „Normalerweise nehme ich jedes Jahr einen Lehrling auf, dieses Mal waren es drei“, sagt sie. Die Hälfte aller Lehrlinge wird im Handwerk und Gewerbe ausgebildet.

Die Branche tut sich traditionell schwer, Jobs und Lehrstellen zu besetzen. Hier zeigt sich das erste Dilemma: Es gibt die Lehrlinge, und es gibt die Jobs – aber nicht immer dort, wo sie gebraucht werden. Über ein Drittel der Lehrstellensuchenden wünschte sich 2019 einen Ausbildungsplatz in einem von vier Lehrberufen: Einzelhandelskauffrau, Bürokaufmann, Kfz-Techniker und Friseurin. Die meisten offenen Stellen gibt es für Einzelhandelskauffrauen, Restaurantfachmänner und Köche. Heuer habe es demografiebedingt weniger Junge gegeben, sagt Scheichelbauer-Schuster – die Zahl der 15-Jährigen sinkt im langjährigen Schnitt. Und dazu gab es weniger Schulabbrecher, die eine Lehre beginnen. „Die fehlen uns jetzt.“

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