Geschichten des Jahres

Coronavirus eine Verschwörung? "Die wollen uns gefügig machen"

Verschwörungstheorien haben durch Corona wieder Hochsaison. Sie sind ein Werkzeug, um eine komplexe Wirklichkeit zu ertragen – und können gefährlich werden. Vor allem dann, wenn Ängste für extreme Zwecke missbraucht werden. Über Qanon, Attila Hildmann, „Querfront“ und Co.

Geschichten des Jahres. Dieser Artikel ist am 18. Oktober 2020 erschienen.

„Wenn sie kommen, dann läufst du aufs Klo, sperrst dich ein und rufst mich an.“ Das hat Kerstin Maier ihrer elfjährigen Tochter eingebläut. „Ich bin dann sofort da.“

Kerstin Maier ist 31 Jahre alt, kommt aus der Wiener Brigittenau, arbeitet im Gastgewerbe, und hat Angst davor, dass ihre Tochter mit einem gerade entwickelten Präparat gegen das Coronavirus geimpft werden könnte. „Impfgegnerin“ ist sie dabei keine, ihre Tochter hat alle Grundimpfungen bekommen. Aber bei Corona, da ist das anders, findet Maier. Sie macht sich Sorgen wegen der ungewöhnlich kurzen Zeitspanne, in der Forscher im Moment an einer Immunisierung gegen das Virus arbeiten: „Wer weiß, was da alles drinnen ist“, meint sie. „Kommt gar nicht infrage, dass ich mein Kind impfen lasse.“

Überhaupt, das Coronavirus. In Kerstin Maiers Freundeskreis sagen die meisten: „Das ist ein Gschichtl.“ Denn immerhin, „wir kommen alle aus dem 20. Bezirk, da kennt jeder jeden. Aber keiner kennt jemanden, der Corona gehabt hat“. Ihr selbst kam der Virusausbruch in China und dann die Verbreitung über die ganze Welt seltsam vor, erzählt sie. Anfangs habe sie die Nachrichten noch verfolgt, „weil es mich interessiert hat: Woher es kommt, was es sein soll, dieses Virus“. Heute, mehr als ein halbes Jahr nach dem Lockdown in Österreich, verweigert sich Kerstin Maier den Medien. Wenn sie Zeitung liest, dann nur den Sportteil, im Fernsehen schaut sie bloß noch den Wetterbericht. Die Berichterstattung über die Pandemie sei so widersprüchlich gewesen, dass sie aufgehört habe, sie ernst zu nehmen. „Was wirklich wahr ist, weiß man nicht“, sagt Kerstin Maier. „Man weiß nicht mehr: Was soll ich glauben – und was nicht? Konkrete Antworten bekommt man nicht.“

Sie ist sich mittlerweile sicher, dass das Coronavirus eine Verschwörung sei. Anders, sagt Kerstin Maier, sei das nicht mehr zu erklären. Wer sich gegen wen verschworen habe? „Die Politiker, die Wirtschaft“ gegen die Bevölkerung: „Die wollen uns gefügig machen.“

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