Gastkommentar

Befangenheit im U-Ausschuss zählt nur politisch, nicht rechtlich

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka.
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka.(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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These des Ex-VwGH-Vizepräsidenten, der Vorsitzende unterliege den gleichen Regeln wie in Gerichtsverfahren, erfordert Widerspruch.

Wien. In der „Presse“ vom 12. Oktober befasste sich der frühere Vizepräsident des Verwaltungsgerichtshofs und vormalige OÖ Landtagsdirektor, Wolfgang Pesendorfer, mit der Frage der behaupteten Befangenheit und der daraus abgeleiteten Forderung der Vorsitzzurücklegung im laufenden Ibiza-Untersuchungsausschuss des österreichischen Nationalrats. Pesendorfer meint, dass Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka trotz fehlender Regelung in der für U-Ausschüsse geltenden Verfahrensordnung zurücktreten müsse, wenn er befangen sei. Argumentiert wird sehr wortreich mit Analogieschlüssen aus dem AVG und gerichtlichen Verfahrensordnungen. Den Schlussfolgerungen Pesendorfers ist zu widersprechen.Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

Der überaus weise Gesetzgeber des ABGB hat festgelegt, dass einem Gesetz kein anderer Verstand (wir würden heute sagen: Sinn) beigelegt werden dürfe als aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und der klaren Absicht des Gesetzgebers sich ergibt („hervorleuchtet“). Nur wenn ein Fall danach nicht lösbar sei, solle so entschieden werden, wie die Regelung in ähnlichen, vom Gesetz bestimmt entschiedenen Fällen es vorsieht (Analogie).

Nun gilt das ABGB an sich nur im Zivilrecht. Es ist aber unbestritten, dass in diesem Bereich ein Abrücken von der logisch-grammatikalischen Auslegung unter Berücksichtigung der Absicht des Gesetzgebers in viel größerem Ausmaß als in anderen Bereichen der Rechtsordnung (z. B. Straf- oder Verwaltungsrecht) zulässig ist.

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