Containment

Ruf nach Teststopp für Personen ohne Symptome

September 30, 2020, New York, New York, USA: A waitress serves a drink to customers inside at the Dallas BBQ in Chelsea
September 30, 2020, New York, New York, USA: A waitress serves a drink to customers inside at the Dallas BBQ in Chelsea(c) imago images/ZUMA Wire (Bryan Smith via www.imago-images.de)
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Das großflächige Testen von asymptomatischen Personen vergeude wegen der zu hohen Zahl an falsch positiven Ergebnissen wertvolle Ressourcen, die beim Contact Tracing fehlten. Zudem würden die allermeisten Ansteckungen nachgewiesenermaßen von Infizierten mit Symptomen ausgehen.

Ein Mann mit hohem Fieber ruft bei der Hotline 1450 an, wartet vier Tage auf seinen Test und weitere vier Tage auf sein (positives) Ergebnis. Eine Frau mit leichten Symptomen wird im Zuge einer routinemäßigen Testung bei der Arbeit positiv getestet, hört aber nichts mehr von den Behörden.

Nur zwei aktuelle Beispiele aus Wien, die keine Einzelfälle darstellen, auf Personalmangel zurückzuführen sind und ein wirksames Contact Tracing, also rasches Ermitteln, Testen und gegebenenfalls Isolieren der Kontaktperson von Infizierten unmöglich machen. „Das Contact Tracing muss besser funktionieren“, sagt Franz Allerberger, Leiter des Geschäftsfeldes Öffentliche Gesundheit der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) im „Presse“-Gespräch. Es sei nicht akzeptabel, dass Restaurantgäste verpflichtet werden, jedes Mal ihre Daten anzugeben, Konsequenzen aber im Ernstfall ausbleiben.

Bei der Nachverfolgung von Kontakten zähle jede Stunde, sie zu vernachlässigen oder sich von ihr zu verabschieden, wie in Slowenien, komme einer Resignation gleich: „Damit würden wir die weiße Fahne hissen.“ Das sei weder sinnvoll noch notwendig – denn österreichweit können derzeit (Kalenderwoche 41) 65 Prozent aller Infektionen einer Quelle zugeordnet werden, bei ihnen wurde also der jeweilige „Patient null“ (auch Indexperson genannt) identifiziert. In Wien sind es 61 Prozent, in Vorarlberg 72 und in Tirol 66 Prozent.

Das Entdecken von Infektionen bzw. Clustern dürfe aber zu keiner „Überreaktion“ führen, sagt Allerberger und spricht die Forderung zahlreicher Virologen nach einer Änderung der Teststrategie in Österreich an. Sie umfasst im Wesentlichen die Abkehr von großflächigen Testungen symptomfreier Personen, etwa im Zuge von Screenings im Tourismus; und die deutlich stärkere Einbindung niedergelassener Ärzte in die Testungen, damit diese nur bei begründetem Verdacht angeordnet werden.

Zu viele falsch positive Ergebnisse

Argumentiert wird diese Kurskorrektur, die auch die Österreichischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin fordert, zum einen mit der zu hohen Rate an falsch positiven Ergebnissen bei asymptomatischen Personen – mit der Folge, dass deswegen wertvolle Ressourcen für das Contact Tracing verschwendet werden; und zum anderen damit, dass die meisten Ansteckungen nachgewiesenermaßen von Infizierten mit Symptomen ausgehen – daher sollten die vorhandenen Kapazitäten auf sie konzentriert werden.

Zur Verdeutlichung: Einer Studie der britischen University of Cambridge zufolge können bei Testungen ausschließlich asymptomatischer Menschen in Regionen mit grundsätzlich niedriger Prävalenz (wenn also laut WHO-Definition nicht mehr als fünf Prozent aller durchgeführten Tests positiv ausfallen, in Österreich liegt dieser Anteil bei knapp acht Prozent sämtlicher Tests, mit starken regionalen Unterschieden) 44 Prozent der positiven Ergebnisse falsch sein. Zielführender seien also Screenings, die sich auf Risikogruppen und besonders sensible Bereiche wie Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen beschränken, um die sogenannte Vortest-Wahrscheinlichkeit zu erhöhen – also die Chancen, dass positiv getestete Verdachtsfälle auch tatsächlich positiv sind.

Über eine Befragung der Ärztekammer, wonach die Mehrheit der niedergelassenen Mediziner – insbesondere in Wien – keine Tests in ihren Ordinationen durchführen wollten, weil ihnen die dafür notwendige Infrastruktur wie etwa getrennte Warteräume fehle, kann Allerberger „nur den Kopf schütteln“. Im Winter machten Infektionskrankheiten rund zehn Prozent aller Erkrankungen aus, weswegen Patienten Praxen aufsuchen. Entsprechende Maßnahmen zu treffen und Ansteckungen zu vermeiden, gehöre also zum Tagesgeschäft von Hausärzten, dieser Verantwortung würden sich die allermeisten auch nicht entziehen und sehr wohl Coronatests anbieten: „Dafür“, so Allerberger, „lege ich meine Hand ins Feuer“.

Die meisten Cluster in Haushalten

In der Kalenderwoche 41 identifizierte die Ages im Übrigen 734 Cluster mit 3099 Betroffenen. 436 von ihnen wurden dem familiären Bereich zugeordnet, das entspricht 58,8 Prozent der Neuerkrankungen. 155 Cluster oder 20,9 Prozent gingen auf Freizeitaktivitäten zurück. Kaum eine Rolle spielten dagegen Sport, Reisen sowie die Hotellerie und Gastronomie mit acht, elf bzw. zwölf Clustern.

18 Cluster machte die Ages im Bildungs-, 27 im Gesundheits- und Sozialbereich aus. 46 Cluster traten im beruflichen Umfeld auf. Die Cluster, die sich in Haushalten bildeten, umfassten aber deutlich weniger Personen als jene in der Freizeit und im Gesundheits- und Sozialbereich. In absoluten Zahlen gab es in den Familien 1332 Betroffene, was 41,7 Prozent aller Neuinfektionen betraf.

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