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Ehefrau von Novomatic-Aufsichtsratschef war bei Sobotka für U-Ausschüsse verantwortlich

IBIZA-U-AUSSCHUSS: LOKAL 7
IBIZA-U-AUSSCHUSS: LOKAL 7APA/HELMUT FOHRINGER
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Die Abgeordneten im U-Ausschuss widmen sich am Dienstag wieder der Frage: Könnte die Novomatic Einfluss auf Glücksspielgesetzgebung genommen haben? Auch der Prikraf-Komplex soll beleuchtet werden.

Das sogenannte „Ibiza-Video“ stellte im Mai 2019 die politische Landschaft Österreichs auf den Kopf. Es führte zum Platzen der türkis-blauen Koalition und katapultierte den damaligen FPÖ-Chef und Vizekanzler, Heinz-Christian Strache, ins Abseits. Die politische Aufarbeitung folgt nun ein Jahr danach im parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss. „Die Presse“ hält Sie hier den ganzen Tag über versorgt mit Updates aus der Hofburg.

Wer sind die Auskunftspersonen am Dienstag, 20. Oktober?

  • Tina L., Juristin mit familiären Verbindungen zum Glücksspielkonzern Novomatic: Sie ist Großnichte von Novomatic-Gründer Johann Graf und Ehefrau von Novomatic-Aufsichtsratschef Bernd Oswald. L. tauchte zuletzt in den Medien auf, weil bekannt geworden war, dass Graf sie mit einer Geldschenkung bedachte. Karrierestationen von L.: von 2012 bis 2017 Staatsanwältin in Wien, danach erhielt L. eine Planstelle als Richterin. Zudem war sie Mitarbeiterin von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der seines Zeichens im Moment wegen einer mutmaßlichen Nähe zur Novomatic unter Beschuss steht, und - bis April 2020 - saß sie im Kabinett von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP).

  • Kurt P., leitender Beamter im Finanzministerium, seit vielen Jahren befasst mit der Glücksspielaufsicht.

  • Julian Hadschieff, Vorstandsvorsitzender der Premiquamed und Obmann im zuständigen Fachverband der Wirtschaftskammer. Die Premiquamed ist die Privatkliniken-Holding der Uniqa: Zu der Gruppe gehören etliche Privatspitäler, die aus dem Privatkrankenanstaltenfonds (Prikraf) Geld bekommen. Die Premiqamed gehört zudem zu den Spendern der ÖVP: 2017 sowie 2018 wurden jeweils 25.000 Euro gespendet.

Was auf der Tagesordnung steht:

  • Der Glücksspiel-Komplex: Die Abgeordneten werden am Dienstag erneut der Frage nach möglichem Einfluss der Novomatic auf Gesetzgebung im Glücksspielbereich unter Türkis-Blau nachgehen. Mehr dazu.

  • Der Prikraf-Komplex: Hier steht der Verdacht im Raum, dass Spender an ÖVP und FPÖ von Gesetzesänderungen unter Türkis-Blau profitiert haben könnten. Mehr dazu.

Updates aus dem U-Ausschuss:

  • Sobotka führt heute nicht wie üblich den Vorsitz im U-Ausschuss. Stephanie Krisper, Fraktionsführerin der Neos im Ausschuss, wertete das als Zeichen dafür, dass er „selbst sieht, dass es keine gute Optik macht, wenn seine ehemalige Mitarbeiterin und die Großnichte von Graf aussagt“, wie sie meinte.

  • Der Fraktionsführer der ÖVP, Wolfgang Gerstl, berichtete indes von einer „anonymen Anzeige“, die ihm zugespielt worden sei, und die sich gegen Krisper und die Fraktionsführer Kai Jan Krainer (SPÖ) und Nina Tomaselli (Grüne) richte. Ihnen werde darin vorgeworfen, dass sie versucht hätten, die Aussage des früheren Novomatic-Geschäftspartners Peter Barthold im Vorfeld seiner Befragung im U-Ausschuss beeinflusst zu haben. Die Anzeige sei am 31. August eingebracht worden, erklärte Gerstl, und berichte von einem Treffen mit Barthold im Grünen-Klub am 30. Juli. Tomaselli ("Schwachsinn"), Krisper ("billiges Ablenkungsmanöver") und Krainer dementierten ein solches Treffen. Krainer gab an, am Tag des angeblichen geheimen Termins auf der Rax gewesen zu sein; Krisper sagte, sie sei bei einer Lesung von Sven-Eric Bechtolf gewesen. Gerstl solle einfach eine ÖVP-Nationalratsabgeordnete fragen, die ebenfalls dort gewesen sei.

  • Der grüne Abgeordnete David Stögmüller sprach im Vorfeld von der Befragung von L. von einem erkennbar „massiven Einfluss“ der Glücksspielbranche auf die Politik; Krainer sah in L. ein „gutes Symbol“ für die Überschneidungen zwischen ÖVP und Novomatic. Auch FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker nannte L. eine interessante Person im „ÖVP-Universum“.

  • Bei ihrer Befragung stellte L. fest, dass sie ihre Privatsphäre durch Namensnennungen in Medien und in einer parlamentarischen Anfrage der Neos verletzt sehe. Fremde Personen, so L., hätten Fotos von ihrem Haus und ihren Kindern gemacht. Dies - und nicht zeitlich zusammenfallenden Ermittlungen zu Schenkungen - hätten dazu geführt, dass sie ihre geringfügige Anstellung im Kabinett Nehammers aufgegeben habe. Mit dem Innenminister sei sie auch privat befreundet.

  • Gegen L. wird in einem Finanzstrafverfahren ermittelt, weil sie von ihrem „Großonkel“, Graf - der eigentlich ein Cousin ihres Vaters ist -, privat großzügige Geldgeschenke erhalten hat. Damit war sie nicht alleine. Insgesamt gibt es rund 160 Schenkungsverträge - teilweise in Millionenhöhe. Grafs Anwalt betonte im August, dass sämtliche Schenkungen "aus rein privaten Motiven" ohne Gegenleistung erfolgt und der Finanz gemeldet worden seien. Zu Fragen zu den Schenkungen entschlug sich die Auskunftsperson. Über Graf sagte sie, sie sei stolz auf ihren Großonkel, der einen Weltkonzern aufgebaut habe.

  • Bei Nationalratspräsident Sobotka sei sie für den Bereich U-Ausschüsse zuständig gewesen, erklärte L. außerdem. Die damaligen U-Ausschüsse waren zur Affäre rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung und zur Causa Eurofighter. Sie sei vom Justizministerium dienstzugeteilt gewesen.

  • Zu dem Betriebsbesuch von Novomatic "im Rahmen des NÖAAB-Wahlkampfes" (NÖAAB ist die Abkürzung für den niederösterreichischen ÖVP-Arbeitnehmerbund, Anm.) habe sie Sobotka begleitet, weil sie das neue Gebäude der Novomatic noch nicht gekannt habe. Ihre Teilnahme sei in ihrer Freizeit erfolgt. An einem Treffen zwischen Sobokta, Graf, Oswald und dem damaligen Novomatic-Chef, Harald Neumann, im Anschluss an die Betriebsführung habe sie nicht teilgenommen. L. gab zudem an, einst auch für die Novomatic gearbeitet zu haben - in der Rechtsabteilung der Novomatic Gaming Industries.

  • Nach L. war ein leitender Beamter aus dem Finanzministerium an der Reihe. Er gab an, dass die Fachabteilung nie erfuhr, warum die in Begutachtung geschickte türkis-blaue Glücksspielnovelle - unter anderem zum IP-Blocking - zurückgezogen wurde. Er habe von der Rechtsabteilung der Casinos Austria vom Rückzug erfahren. So etwas habe in seiner 35-jährigen Berufslaufbahn noch nicht erlebt. "Es ist im Haus weder mitgeteilt worden, dass es zurückgezogen wurde, noch wer das veranlasst hat und es wurde auch kein Grund genannt."
  • Der Vorstandsvorsitzende der PremiQuaMed, Julian Hadschieff, hat den Privatanstalten-Finanzierungsfonds (Prikraf) verteidigt. Hadschieff ist Obmann des zuständigen Wirtschaftskammer-Fachverbandes. Seine Firma hat 2017/18 50.000 Euro an die ÖVP gespendet. Der Ausschuss prüft, weil unter Türkis-Blau Parteispender von ÖVP und FPÖ durch die Aufstockung des Fonds bzw. durch Aufnahme ihrer Klinik in den Prikraf profitiert haben. Durch die Leistungen der Prikraf-Krankenanstalten würden den österreichischen Sozialversicherungen jedes Jahr rund 70 Mio. Euro laufende Kosten erspart, der öffentlichen Hand jährlich 250 Mio. Euro, argumentierte Hadschieff bei seiner Befragung. Aus dem Fonds erhalten Privatspitäler Geld, sofern sie medizinisch notwendige Leistungen für Pflichtversicherte erbringen.

(Red./APA)

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