Pizzicato

Fitness-Apostel

Je länger die Coronapandemie die Welt – wie wir sie kennen – lahmlegt, desto mehr spornt sie Geist und Kreativität an.

„Schwer zu glauben. Aber in dieser Welt ist alles möglich“: So wirbt das Fitnessstudio Atlantic Sports in Krakau neuerdings als Weckruf für „religiöse Versammlungen für Angehörige der Kirche des gesunden Körpers“, um die Verbote im Semi-Lockdown zu umgehen.

Ausgerechnet im einst erzkatholischen Polen! Just in Krakau, der Wirkstätte Karol Wojtylas! Ein Sakrileg von selbstverliebten Fitnessfreaks und Adoranten von Sixpacks und hochgezüchteten Bizeps? Nun ja. War nicht der spätere Papst Johannes Paul II. selbst ein passionierter Outdoor-Sportler, ein Bergsteiger und Skifahrer in der Hohen Tatra? Und Jesus und seine Jünger? Wanderten sie nicht kreuz und quer durch Judäa und Galiläa, hügelauf und hügelab, nur ausnahmsweise auf Eselsrücken? So betrachtet macht sie das zu Vorläufern der Fitnessbewegung, ja zu Fitness-Aposteln.

Wie soll man sich eine religiöse Session im Fitnessstudio und im Schweiße des Angesichts also vorstellen? Niederknien, Sit-ups und Push-ups eignen sich als Aufwärmübung für das gute, alte Zirkeltraining und das Bankdrücken, und im Hintergrund ertönen Evangelium, Choräle und eine Predigt von JP II vom Band. Neue Pfade für den Geist Gottes, der eben weht, wo er will.

E-Mails: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2020)

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