Replik

Ärztliche Hilfe soll kein Geschäft sein

Die Debatte um Beihilfe zum Freitod ist viel zu komplex, um sie mit falschen Behauptungen zu führen.

Die Diskussion um die Beihilfe zum Freitod ist zu kompliziert und ethisch viel zu facettenreich, um die Stellungnahme mit einer falschen Behauptung zu beginnen: Der auch von mir überaus geschätzte Liedermacher Ludwig Hirsch (1946–2011) hätte seinem Leben freiwillig ein Ende gesetzt, weil er die durch eine unheilbare Krankheit verursachten Schmerzen nicht mehr ertragen konnte und „das unvermeidliche Ende in Würde selbst bestimmen wollte“. So schrieb es der Autor Egyd Gstättner in der „Presse“ (Ausgabe vom 8. Oktober).

Am Tage vor seinem Tode hatte ich ein ausführliches Gespräch mit Ludwig Hirsch, da tags darauf eine einfache Routineoperation hätte stattfinden sollen. Er hatte zu diesem Zeitpunkt keinerlei Schmerzen und eine lebensbedrohliche organische Krankheit war ebenfalls nicht bekannt. Im Rahmen des Gesprächs waren mir auch keinerlei Anzeichen für seinen in der Folge fatalen Entschluss ersichtlich. Ich kann mich auch nach so vielen Jahren gut daran erinnern, da ich über die mir am nächsten Tag überbrachte Information durchaus erschüttert war. Der Entschluss, seinem Leben selbst ein Ende zu setzen, ist in der überwiegenden Zahl der Fälle keine Ad-hoc-Entscheidung, sondern der definitive Schlusspunkt eines monate-/jahrelangen Ringens. Laut dem berühmten Arzt Erwin Ringel ist diese Handlung der ultimative, finale Hilferuf. Die Frage ist nur, in welchem Ausmaß dem Betroffenen ausreichende Hilfe zuteil wurde – vor dem Akt der Selbsttötung!

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Wenn jemand den Entschluss gefasst hat, seinem Leben ein Ende zu setzen, so wird er/sie nicht mehr davon abgehalten werden können. Nur, der Weg bis da hin ist weit und sollte eine Vielzahl an Möglichkeiten professioneller Hilfestellungen beinhalten, und manchmal hat der Betroffene auch physisch nicht mehr die Möglichkeiten, diesen Entschluss umzusetzen. Doch ich kann die Meinung einer Reihe von Menschen – Betroffenen oder engagierten Anwälten, aber auch Ärzten – nachempfinden, dass manche unheilbar erkrankte und/oder unter ständigen Schmerzen bzw. durch Behinderungen leidende Patienten sich der Möglichkeit beraubt sehen, ein in ihren Augen „menschenwürdiges“ Leben zu führen. Gstättner glaubt, diese Menschen hätten Angst davor, wie Ludwig Hirsch „schlecht zu sterben“ und ihre gesetzliche Martyriumspflicht erfüllen zu müssen.

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