Randerscheinung

Ausschleichen

Carolina Frank
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Samstag ist also nun der Tag, an dem wir fünf noch fix zusammenkommen.

Meist treffen wir uns zum Essen. Entweder in Wien drinnen in einem unserer Stammlokale (es sind inzwischen drei, die nach der traumatischen Schließung unseres Stammjapaners vor über einem Jahr übrig geblieben sind), nach dem Essen fahren wir zusammen nach Hause. Oder die beiden großen Buben kommen direkt heim. Meist noch etwas angeschlagen von der Nacht davor, weil der Freitag natürlich wieder lang gedauert hat.

Zu essen gibt es in letzter Zeit häufig Cannelloni mit Spinat-Ricotta-Füllung, darauf können sich alle einigen. Und egal, wie viel da ist (und es ist meistens viel da), bis zum Abend ist immer alles weg. Seit der Mittlere Vegetarier ist, sind viele frühere Favoriten, mit denen die zwei Größeren aufgewachsen sind, vom Speiseplan verschwunden. Lustigerweise kochen wir sie auch nicht mehr, wenn der Mittlere gar nicht da ist.

Nach dem Essen spielen wir bei Kaffee und Nachspeise oft noch eine Runde. Derzeit ist Qwirkle der erklärte Favorit. Wäre man Familienarchäologe, könnte man im Nachhinein die verschiedenen Familienzeitalter anhand der gerade aktuellen Spiele unterscheiden. Danach verschwinden die großen Buben in ihren Zimmern, sie müssen dringend Schlaf nachholen, der Jüngste geht zum Tischtennistraining. Die Abende sind sehr verschieden. Oft folgt dem Nachmittagsschlaf der hektische Aufbruch der Studenten, die sich tummeln müssen, um rechtzeitig wieder in Wien zu sein; manchmal bleibt einer im Pyjama, während der andere noch spät wegmuss. Dass beide hier übernachten, kommt kaum mehr vor. Ausschleichen nennt man das, glaube ich, bei Medikamenten, die man so behutsam absetzt, dass man dann irgendwann schmerzfrei ohne ihre Wirkung auskommt.

(Die Presse - Schaufenster", Print-Ausgabe, 23.10.2020)

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