Prognosen

Exponentielles Wachstum: Wie in der Coronakrise gerechnet wird

Die Regierung argumentiert die neuen Maßnahmen mit exponentiellem Wachstum. Ob wir zu Weihnachten 6000 tägliche Neuinfektionen haben werden, kann man derzeit nicht sagen.
Die Regierung argumentiert die neuen Maßnahmen mit exponentiellem Wachstum. Ob wir zu Weihnachten 6000 tägliche Neuinfektionen haben werden, kann man derzeit nicht sagen.APA/ROLAND SCHLAGER
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Exponentielles Wachstum: Wie in der Coronakrise gerechnet wird. Die Regierung begründet die schärferen Maßnahmen mit dem exponentiellen Wachstum. Aber wie genau rechnen Wissenschaftler bei Pandemien? Und wie verändert Corona die gängigen Modelle?

„Das exponentielle Wachstum ist schwer vorzustellen für das menschliche Gehirn“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz vergangene Woche bei der Präsentation der schärferen Corona-Maßnahmen. Vielleicht dachte er dabei ja an den 2013 verstorbenen Physiker Albert Bartlett, der einmal sagte: “Das größte Manko der menschlichen Rasse ist unsere Unfähigkeit, die Exponentialfunktion zu verstehen.“

Die Legende über den Brahmanen Sissa ibn Dahir bringt das Problem auf den Punkt. Sie geht so: Für die Erfindung des Schachspiels versprach ihm der indische Herrscher Shihram ein Geschenk. Der Brahmane wünschte sich Reis, ein Korn auf dem ersten Feld des Schachbretts, auf dem zweiten Feld die doppelte Menge (also zwei Körner), auf dem dritten Feld wieder die doppelte Menge (also vier) und so weiter und so fort – bis alle 64 Felder voll sind. Der König machte sich über den Brahmanen lustig, doch das Lachen verging ihm, sobald ein Mathematiker die Reismenge berechnete: mehr als 18 Trillionen Körner. Würde man sie über Deutschland ausleeren, wäre das ganze Land mit einer 25 Zentimeter hohen Reisschicht bedeckt. Ein weiteres Experiment zur Exponentialfunktion kann jeder zuhause durchführen, indem er versucht, ein Blatt Papier von beliebiger Größe öfter als achtmal in der Mitte falten.

Kurz hat recht, exponentielles Wachstum ist nicht leicht vorstellbar. Und ein Virus macht das ganze nicht unbedingt einfacher.

Denn zum einen kann es kein uneingeschränktes Wachstum geben, weil es nur eine begrenzte Zahl an Menschen gibt, zum anderen gibt es Personen, die – zumindest in einem bestimmten Zeitraum - das Virus nicht mehr bekommen können, weil sie es schon hatten.
Seit 1927 Jahren ist in der Epidemiologie das SIR-Modell Standard. Dabei wird berechnet, wie sich drei Kurven zueinander verhalten: Zum einen gibt es Personen die noch angesteckt werden können („susceptible“), solche die infiziert sind („infected“) und solche, die immun oder verstorben sind („removed“). Heute wird meist das erweiterte SEIR-Modell angewandt, bei dem auch jene Personen berücksichtigt werden, die infiziert sind, aber nicht ansteckend („exposed“). Dass die Größen nicht einfach zu ermitteln sind, zeigt das Coronavirus. Es gibt etwa Infizierte, die noch keine Symptome entwickelt haben und trotzdem ansteckend sind.

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