Alles auf engstem Raum: Der erweiterte Haushalt der vormodernen Zeit vereinte alle Lebensbereiche (flämisches Gemälde, 16. Jahrhundert).
Die Welt bis gestern

Arbeitswelt: Der Mensch und seine vier Wände

Die räumliche Trennung von Privatleben und Arbeit vor etwa 200 Jahren war ein emanzipatorischer Fortschritt und leitete die Ära des Wohnens ein. Was ist jetzt damit?

Der Italiener Francesco Petrarca hat sich im 14. Jahrhundert sehr für das Problem der Work-Life-Balance interessiert. Er unterscheidet zwischen dem homo occupatus, dem die Turbulenzen des aktiven Lebens zu schaffen machen, und dem homo solitarius, der sich durch den räumlichen Rückzug in die eigenen vier Wände ins Lot bringt. Im Haus schirmt er sich ab von den Alltagsgeschäften, gewinnt Distanz und ist dadurch imstande, der Welt draußen wieder selbstsicher entgegenzutreten. Selbstvergewisserung und Souveränität sind also gebunden an die materielle Hülle der eigenen vier Wände. Sie bieten dem Ich Schutz und Sesshaftigkeit, sie stabilisieren seine Lebensbahn.

Denkt man Petrarca weiter, kommt man folgerichtig zu dem Ergebnis, dass die Verlagerung des aktiven Lebens in die eigenen Räume dem Menschen nicht guttut. Petrarca geht es um die Gesundheit der Seele, zweifellos ein Luxusproblem für die Bevölkerung im Mittelalter und der frühen Neuzeit, die sich primär auf das materielle Überleben konzentrieren musste und ein derart intimes Verhältnis zu den eigenen Wohnräumen (noch) nicht entwickeln konnte. Diese bildeten nämlich rund um die Uhr den Lebens- und Wirtschaftsraum der Menschen, die Geschichtsforschung hat dafür den Ausdruck „das ganze Haus“ gefunden.

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