Gastkommentar

Wie mein Vater Karl Löbl seinen Todesplan änderte

(c) Peter Kufner
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Der Doyen der Musikkritik wollte mit seiner Frau selbstbestimmt sterben – und kam davon ab. Eine Erinnerung der Tochter.

Es war oft Thema, verkam zu Scherzen, zu fallweiser Blasphemie und mündete in tiefe Demut. Das Sterben. Das Beenden, wenn es unwürdig wird.

Damit wurde ich groß und empfand es als normal, dass man gehen darf, wenn das Leben nichts mehr taugt, wenn man anderen zur Belastung wird.

Es war klar und wurde als ungeschriebenes, abstraktes Gebilde zum Gesetz der Familie.

Ich erinnere mich noch an die ewigen Diskussionen über Kapseln, gefüllt mit Strychnin, einer Überdosis Coffein intravenös verabreicht oder den Sprung vom Stephansdom für den Fall, dass das Leben nicht mehr lebenswert ist.

Dignitas gab es damals noch nicht.

Auch meine Mutter meinte, gehen zu dürfen, als sie es für richtig hielt. Als ich sie beinahe leblos im Bett fand, begann meine Zeitrechnung. Als mein Vater seinen letzten Atemzug tat, verstand ich, warum man das Leben aushaucht.

Ein eisiges Etwas entschwindet, löst sich und mischt sich mit dem Rest der Welt. Minuten vorher war er noch da, seine Hand in meiner. Da endete meine Zeitrechnung.

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