Coronavirus

Contact Tracing stößt an Grenzen: "Zuwachs an Fällen kaum mehr abzuarbeiten"

(c) APA (BARBARA GINDL)
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Im Westen Österreichs ist die Nachverfolgung der Kontakte von Coronafällen kaum mehr zu bewerkstelligen. Tirol und Salzburg bündeln die Kapazitäten der Behörden, Vorarlberg muss das Contact Tracing einschränken.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sieht die Nachverfolgung und Absonderung der engen Kontakte nach Corona-Infektionen in Vorarlberg weiterhin gesichert. Die vom Land tags zuvor gemeldete Einschränkung des Contact Tracing wertete Anschober in einer Aussendung am Samstag als "Missverständnis". Denn reduziert werde nur die über die Vorschriften hinausgehende direkte Befragung von K1 und K2-Kontaktpersonen.

"Die Nachverfolgung der engen Kontakte ist in Vorarlberg nach wie vor sichergestellt und wird vorbildlich umgesetzt", betonte Anschober. Dies betreffen neben den Erkrankten auch die Personen im gemeinsamen Haushalt, Personen mit engen Kontakten sowie mit Bezug zu besonders gefährdeten Gruppen.

Reduziert habe Vorarlberg aufgrund der stark gestiegenen Fallzahlen lediglich die zusätzlichen direkten Befragungen der Kontaktpersonen K1 und K2.

Situation in Salzburg angespannt

Im Bundesland Salzburg stößt das Contact Tracing langsam an seine Grenzen. "Die Situation in den Bezirksverwaltungsbehörden ist sehr angespannt", teilte der Sprecher des Landes Salzburg, Franz Wieser, mit. "Der Zuwachs an Fällen ist kaum mehr abzuarbeiten". In den nächsten zwei Wochen sollen 60 Mitarbeiter der Salzburger Landesregierung den Behörden für die Unterstützung der Nachverfolgung der Fälle zur Verfügung gestellt werden.

Positiv Getestete und Kontaktpersonen der ersten Kategorie hätten Vorrang. Bis ein Bescheid ergeht, könne es aber einige Tage dauern. Im Tennengau zeige sich zwar von den täglichen Fallzunahmen keine so starke Zunahme mehr. Andererseits gebe es im Flachgau "sehr dynamische Entwicklungen". Als besonders problematisch bezeichnete Wieser die Nachverfolgungen von Schul-Infektionen. Wenn ein Lehrer in mehreren Klassen unterrichte und infiziert sei, müsse man schon mal rund 150 Kontaktpersonen erreichen. "Da ist eine Behörde nur mit einem Fall beschäftigt."

Wieser bat, die Sozialkontakte über die Feiertage zu minimieren. "So ein Zeitfenster bekommen wir bis Weihnachten nicht mehr." Man steuere auf eine "sehr, sehr ernste Situation" zu. "Es kann zur Katastrophe werden", meinte der Sprecher des Landes Salzburg.

Tirol bündelt Kapazitäten

Die Tiroler Bezirkshauptmannschaften werden sich ab kommender Woche an den Nachmittagen ganz auf die Bekämpfung der Corona-Pandemie konzentrieren. Bürger-Anliegen, die nichts mit dem Coronavirus zu tun haben, sollen auf den Vormittag beschränkt bleiben. "Die Situation spitzt sich ob der stark ansteigenden Infektionszahlen immer weiter zu", sagte Landesamtsdirektor Herbert Forster. Die Bezirksbehörden müssten sich auf die rasche Aufklärung von Infektionsketten fokussieren.

Forster sprach von einer "ernsten Situation". Das aufwendige Contact Tracing, das zeitintensive Abarbeiten von behördlichen Maßnahmen oder auch die Ausstellung von Hunderten Quarantänebescheiden stellten die Tiroler Bezirkshauptmannschaften zunehmend vor große Herausforderungen. Die Bezirkshauptleute hätten sich daher darauf verständigt, ihre Ressourcen an den Nachmittagen zur Bekämpfung der Pandemie zu bündeln - anders sei der Corona-Einsatz nicht mehr leistbar. Die Bürger wurden ersucht, ihre Anliegen am Vormittag vorzubringen. Besuche in Amtsgebäuden sind wie bisher nur nach vorheriger Terminvereinbarung möglich.

Vorarlberg muss Contact Tracing einschränken

Schon am Freitagabend hatte die Entwicklung bei der Zahl der Neuinfektionen "das Infektionsteam an seine Kapazitätsgrenze geführt", wie es in einer Aussendung des Landes hieß. "Wir können in der nächsten Zeit nicht mehr den vollen Umfang der Kontaktnachverfolgung aufrechterhalten und müssen uns deshalb auf Hochrisikogruppen konzentrieren", kündigte Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP) an.

"Wir werden bestimmte Gruppen priorisieren", ergänzte Sanitätsdirektor Wolfgang Grabher. "Neben den Erkrankten sind dies Personen im gemeinsamen Haushalt, Personen mit engen Kontakten oder mit Bezug zu besonders gefährdeten Gruppen." Demnach wurden in den vergangenen sieben Tagen in Vorarlberg durchschnittlich 115 Neuinfektionen pro Tag verzeichnet. Damit sind täglich rund 2.000 Kontaktpersonen verbunden.

Das nunmehrige Procedere läuft Grabher zufolge so ab: Im Zuge des Erstanrufs bei der infizierten Person wird neben den wichtigsten Informationen über die betroffene Person eine Erhebung der engen Kontaktpersonen in die Wege geleitet. Die Erfassung aller Kontaktpersonen erfolgt mittels eines digitalen Formulars durch den Erkrankten selbst mit einer genauen Beschreibung des Kontakts sowie des Zeitpunkts.

Diese Kontaktfälle werden vom Infektionsteam geprüft. Personen im eigenen Haushalt bzw. mit sehr intensiven Kontakten oder mit Berührungspunkten zu besonders gesundheitlich anfälligen Gruppen werden herausgearbeitet und ohne weitere Kontaktaufnahme per Bescheid abgesondert.

Zunächst für zwei Wochen geplant

Diese Vorgangsweise ist zunächst für zwei Wochen geplant, sie diene der Beschleunigung der Verfahrensabläufe und Entlastung des Infektionsteams. "Die sehr aufwendige Verfolgung, wie sie derzeit stattfindet, ist mit diesen hohen Zahlen nicht mehr möglich. Wir reagieren daher und beziehen uns nur mehr auf die Meldung der Erkrankten", erläuterte Grabher. Es sei durchaus möglich, dass auf diese Weise nicht alle Kontaktpersonen erfasst werden.

Personen, die glauben, dass sie Kontaktpersonen mit engem Kontakt und Berührung zu besonders gefährdeten Gruppen sind, aber nicht abgesondert wurden, sollen sich an die erkrankte Person mit der Bitte um Nachmeldung wenden. Menschen mit losem Kontakt zu Infizierten werden nicht mehr aktiv kontaktiert, aber gebeten, ihre soziale Kontakte stark zu reduzieren und ihren Gesundheitszustand selbst zu überwachen.

Ages könnte helfen

Die "Contact Tracing-Task Force" der Ages steht seit Ende September ebenfalls als Support beim Nachverfolgen der Kontaktpersonen bereit: Derzeit sind es 60 mehrsprachige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die speziell geschult und vom Gesundheitsministerium autorisiert wurden. Bei Bedarf könne auch aufgestockt werden, in einem ersten Schritt bis auf 100 Tracer, hieß es am Samstag von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages).

Bei der Auswahl wurde auf Mehrsprachigkeit Wert gelegt, es sind so auch Contact-Tracer mit Muttersprachen wie Türkisch oder Serbisch tätig, um sprachliche Barrieren beim Kontaktpersonenmanagement zu minimieren. Das Contact-Tracing durch die Ages erfolge telefonisch, der Arbeitsplatz ist in Wien.

Über das Fallerhebungstool des Bundes und der Länder können Bezirksverwaltungsbehörden aus ganz Österreich bei Bedarf definierte Fälle in diesem Tool für die Weiterbearbeitung durch die Ages freigeben. Diese Aufträge werden mit eingeschränkten Berechtigungen für die Bearbeitung durch die Ages-Kräfte dargestellt, der Datenschutz ist somit gewährleistet. Die erhobenen Daten werden automatisch in das epidemiologische Meldesystem (EMS) des Bundes und der Länder eingespeist, die jeweils zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden werden automatisch informiert und können die weiteren Schritte setzen - und auch jederzeit den Bearbeitungsstand eines Falles einsehen.

Bundesheer und Pensionisten sollen helfen

Von den rund 1550 Soldatinnen und Soldaten im Covid-Einsatz unterstützen insgesamt 770 die Gesundheitsbehörden in allen Bundesländern im Assistenzeinsatz, berichtete das Bundesheer - ein beträchtlicher Teil davon ebenfalls beim Contact Tracing. 20 Vollzeitkräfte des Bundesheers sind in Vorarlberg im Infektionsteam in Dornbirn tätig. In Kärnten sind es 22 Männer und Frauen in den Bezirkshauptmannschaften Sankt Veit, Klagenfurt Land, Villach Land und Völkermarkt, 16 suchen beim Contact Tracing in Graz nach Kontaktpersonen, 28 Angehörige des Bundesheeres sind in Innsbruck zur Unterstützung entsendet worden. In Oberösterreich sind 44 und in Salzburg 36 Soldatinnen und Soldaten die beim Kontaktpersonen-Management dienen. 46 Angehörige des Bundesheeres sind im Land Niederösterreich im Einsatz.

In Oberösterreich prüft man derzeit, inwieweit zusätzlich pensionierte Landesbedienstete freiwillig für das Contact Tracing reaktiviert werden können, teilte der oberösterreichische Krisenstab mit.

(APA)

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