Culture Clash

Der Papst und die eingetragene Partnerschaft

Ein großes Missverständnis oder eine große Wende? Irgendwie beides. Was hat er wirklich gesagt, und was hat er dabei wohl im Blick?

Nun zeigt also ein Dokumentarfilm, dass der Papst in einem TV-Interview im Mai 2019 gesagt hat, dass es Gesetze „für das zivile Zusammenleben homosexueller Menschen“ geben soll, die „das Recht auf gesetzliche Absicherung haben“. Je nach eigenem Standpunkt sehen die einen eine kopernikanische Wende der Kirche oder eine Desavouierung des Lehramtes, während andere vermelden, dass der Papst im Wesentlichen nichts Neues sagt und das auch dem Katechismus entspricht.

Das Spannende ist, dass alle irgendwie recht haben. Das hat auch mit der Vorgangsweise und ihren Missverständlichkeiten zu tun. Im Originalinterview spricht der Papst nämlich davon, dass Familien homosexuelle Kinder nicht verstoßen dürfen, weil die ein Recht auf ihre Familien haben. Viel später kommt dann erst das mit der rechtlichen Absicherung von Partnerschaften. Dabei sagt der Papst statt „unión civil“ bloß „convivencia civil“, ob absichtlich oder nicht. Zudem ärgert er sich, dass seine Worte zum Thema oft aus dem Zusammenhang gerissen werden. Und er sagt, dass das alles nichts an der Lehre der Kirche ändere. Die Doku bringt nur manches davon.

Das sind aber nur Details in einem großen Ganzen, das vor allem sehr komplex ist. Schon anthropologisch ist die Homosexualität diffus. Ihre Entstehung liegt nach wie vor im Dunkeln. Und ist Schwulsein identitätsbegründend (wofür sich der Begriff „queer“ durchsetzt) oder bloß eine von vielen Eigenschaften einer Person wie alle anderen?

Für die Kirche ist das nicht weniger komplex. Wo sie sich ernst nimmt, geht es ihr ja nicht darum, dass alle gefälligst so leben, wie sie das will. Sondern dass die Welt so sein soll, dass jeder Mensch das Beste aus seiner Würde als Gottes Meisterwerk machen kann. Daher ist etwa die Frage alles andere als trivial, ob die Schranke im Hirn, die die meisten vom Sex mit dem eigenen Geschlecht abhält, nur evolutionär erworbenes Beiwerk oder aber ein Anhaltspunkt dafür ist, wie Gott die Menschheit in ihrem innersten Wesen geschaffen hat. Und was das für den guten Umgang des Menschen mit sich selbst heißen könnte. Und für eine Welt, die hilfreich sein soll.

Man kann streiten, ob die spezifische Art des Papstes, missverständlich zu sein, immer dienlich ist, wenn es darum geht, in diesem komplexen Feld die richtigen Antworten zu finden. Sein Ausgangspunkt ist jedenfalls klar: Wie soll ein Mensch seiner besonderen Würde als geliebtes Gotteskind gewahr werden, wenn man ihm nicht von vornherein mit jener uneingeschränkten Hochachtung begegnet, die dieser Würde entspricht?

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2020)

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