Wort der Woche

Hauptproblem: Grünland-Bewirtschaftung

Dass es um die Biodiversität nicht gut bestellt ist, ist bekannt. Neu ist indes die Erkenntnis, dass veränderte Bewirtschaftungsmethoden im Grünland das Hauptproblem sind.

Alle fünf Jahre erhebt die Europäische Umweltagentur EEA den Zustand der Natur in Europa. Diese Woche wurden die aktuellen Zahlen veröffentlicht – und wie zu erwarten war, ist es um die Vielfalt von Arten und Lebensräumen gar nicht gut bestellt: Nur 15 Prozent aller Habitate und rund 25 Prozent aller Pflanzen- und Tierarten befinden sich demnach in einem guten Zustand. In manchen Bereichen habe es zwar Fortschritte gegeben – gezielte Schutzmaßnahmen zahlen sich aus! Doch diese seien nicht ausreichend gewesen, um die Ziele der Biodiversitätsstrategie 2020 zu erreichen, stellt die Behörde unmissverständlich fest (www.eea.europa.eu). Österreich liegt beim Erhaltungszustand von Arten und Lebensräumen im hinteren Feld.

Die Liste der Belastungsfaktoren ist keine Überraschung: Die größten Problemfelder sind die Landwirtschaft, gefolgt von Urbanisierung (Flächenverbrauch) und Forstwirtschaft. Weitere wichtige Ursachen für das Sinken der Biodiversität sind Eingriffe in den Wasserhaushalt, Umweltverschmutzung, invasive Arten und der Klimawandel.

So weit, so bekannt. In dem Bericht werden diese Bereiche nun aber weiter aufgeschlüsselt und bewertet – und das Ergebnis ist überraschend: Anders als man vermuten würde, sind in der Landwirtschaft nicht etwa der Einsatz von Pestiziden, das Trockenlegen feuchter Wiesen oder die Entfernung von kleinteiligen Landschaftselementen (wie etwa Hecken oder Gstätten) die Hauptprobleme, sondern das Aufgeben von traditionellen Methoden der Grünland-Bewirtschaftung. Das ist insofern sehr spannend, als dass Wiesen keine urwüchsige Natur sind, sondern vom Menschen über Jahrtausende (durch Roden von Wäldern und Bewirtschaftung) geschaffen wurden; und dennoch bilden sie extrem artenreiche Lebensgemeinschaften – noch artenreicher als viele Naturlandschaften.

Um die Heuernte zu steigern, werden indes heute immer mehr Wiesen gedüngt und öfter im Jahr gemäht. Die Intensivierung begünstigt schnellwüchsige Pflanzenarten, die eine Vielzahl an Gräsern, Blumen und Kräutern einfach überwuchern. Diese verschwinden dadurch sukzessive aus der Landschaft, und mit ihnen die oft hoch spezialisierten tierischen Nutzer dieser Arten.

Es wäre also gar nicht so schwer, die Artenvielfalt deutlich zu stützen. Viel wäre gewonnen, würden wir uns auf das traditionelle Wissen besinnen, wie der Mensch über Jahrhunderte mit der von ihm geschaffenen Kulturlandschaft umgegangen ist.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2020)

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