Ölpest: "Verschwundenes" Öl ist am Meeresgrund

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gefunden Wasser(c) AP (Charlie Riedel)
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Im Golf von Mexiko driftet eine 35 Kilometer lange "Abgasfahne" des explodierten Bohrlochs. Die Säuberungsaktionen konnten gerade einmal 25% des ausgetretenen Öls wegschaffen.

85 Tage lang strömte das Öl in 1500 Meter Tiefe aus dem geborstenen Rohr im Golf von Mexico, es waren über vier Millionen Barrel (636 Millionen Liter), das weiß man recht genau. Völlig unklar war hingegen, wo das ganze Öl hinging: Eine Statistik der zuständigen Behörde NOAA fand eigenartige Lesarten: 75 Prozent seien „von Mensch und Mutter Natur weggeputzt“ worden, jubelte etwa CNN. In Wahrheit brachte der Mensch gerade 25 Prozent weg – 17 wurden an der Unglücksstelle abgesaugt, fünf an der Meeresoberfläche verbrannt, ganze drei im Wasser eingesammelt –, und was die Natur mit den restlichen 75 getan hat, weiß niemand, manches ist verdunstet, manches in Sedimente gegangen, und viel muss noch im Wasser sein.

Ein Teil davon wurde nun gefunden, in Gestalt einer „Abgasfahne“, die sich in 1100 Meter Tiefe 35 Kilometer hinzieht und sich mit 7,8 Zentimeter pro Sekunde – etwa 6,7 Kilometer pro Tag – vom Bohrloch entfernt. Das ist allerdings keine Wolke aus dickem Öl, sondern so stark verdünnt und emulgiert, dass man es weder sehen noch riechen kann. Aber messen kann man es: Meeresforscher um Richard Camilli (Woods Hole) haben es mit einem Tauchrobotor getan. Sein Analysegerät fand Kohlenwasserstoffe wie Benzen und Toluol, die nur vom Bohrloch stammen können, und es fand sie in solchen Konzentrationen – 50 Mikrogramm pro Liter –, dass sie nur von dem Unfall stammen können, sie summieren sich zum Doppelten der Menge, die insgesamt von Natur her aus dem Boden des Golfs von Mexiko strömt.

Keine Todeszone

Und die Ölwolke ist langlebig, sie wird kaum abgebaut. Zwar deuteten frühere Messungen auf einen starken Rückgang des Sauerstoffs im Wasser – 30 Prozent –, man schloss auf Aktivitäten von ölfressenden (und sauerstoffverbrauchenden) Bakterien und fürchtete die Ausbreitung einer „Todeszone“. Aber das war unbegründet, es lag an einem Messfehler: Nicht jede neue Technik ist so gut wie der Tauchroboter, im Gegenteil, moderne Sonden zur Messung von Sauerstoff im Wasser liefern falsche Werte, wenn sie verölen. Deshalb griffen die Forscher auf ein Verfahren von 1880 zurück: Der Sauerstoff ist da, die Bakterien sind also kaum aktiv. Das heißt umgekehrt, dass die Ölwolke noch lange durch das Wasser ziehen wird (Science, 19.8.). jl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2010)

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