Wirtschaftspolitik

China will unabhängiger werden

China dürfte heuer als einzige große Volkswirtschaft ein Wachstum verzeichnen.
China dürfte heuer als einzige große Volkswirtschaft ein Wachstum verzeichnen.(c) REUTERS (ALY SONG)
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Die Führung in Peking will angesichts des globalen Wirtschaftsabschwungs den heimischen Konsum und die Produktion im eigenen Land stützen.

Peking. Wegen der Spannungen mit den USA und dem globalen Wirtschaftsabschwung durch die Corona-Pandemie will sich China unabhängiger vom Rest der Welt machen. Die Führungselite der Kommunistischen Partei begann am Montag in Peking viertägige Beratungen über den neuen Fünf-Jahres-Plan, der die Selbstständigkeit der zweitgrößten Volkswirtschaft der Erde stärken soll. Die seit Langem bedeutendste Neuausrichtung umschrieb Staats- und Parteichef Xi Jinping mit dem Schlagwort der „dualen Kreisläufe“.

Mit dieser Strategie soll sich Chinas Wirtschaft stärker auf den heimischen Konsum, die Produktion und Verteilung im eigenen Land stützen, was als „interne Zirkulation“ beschrieben wird. Der „externe Kreislauf“ – also internationaler Handel und Investitionen aus dem Ausland – dient in diesem Konzept eher der Unterstützung des internen Hauptmotors.

Details könnten zum Ende der Beratungen am Donnerstag bekannt werden. Zu den wichtigsten Themen des Treffens hinter verschlossenen Türen zählt das Vorhaben von Präsident Xi, bis 2060 Klimaneutralität in China zu erreichen.

Der neue Fünf-Jahres-Plan für die Zeit von 2021 bis 2025 wird im März auf der Jahrestagung des Volkskongresses abgesegnet. Er soll die eigene technologische Innovation stärken und China angesichts amerikanischer Strafmaßnahmen und der Unterbrechung von Lieferketten eigenständiger machen. Es ist so etwas wie Pekings Antwort auf amerikanische Überlegungen für eine Entkoppelung von China.

Probleme durch Sanktionen

US-Sanktionen haben chinesische Technologieriesen wie den Telekomausrüster und Smartphone-Hersteller Huawei, Chiphersteller oder Internetunternehmen wie Tiktok oder Wechat in Schwierigkeiten gebracht und ihre Verwundbarkeit demonstriert. Experten sehen hinter dem Konflikt auch die wachsende Rivalität zwischen der angeschlagenen Supermacht USA und der aufstrebenden asiatischen Macht China.

Die Führung in Peking geht auch bei einem Sieg des demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten Joe Biden über Amtsinhaber Donald Trump davon aus, dass die Spannungen anhalten werden. Dahinter stecke tief sitzendes Misstrauen, „weil China so schnell wächst – vielleicht über die Erwartungen, die Vorstellungen oder das Ausmaß hinaus, das die entwickelte Welt akzeptiert“, sagte Vizeaußenminister Qin Gang vor Journalisten. „Wir holen schnell auf. (...) Das macht einige Länder wie die USA nervös.“

Das Plenum des Zentralkomitees ist das höchste Parteitreffen seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie vor knapp einem Jahr. Infektionen waren erstmals im Dezember in der zentralchinesischen Metropole Wuhan entdeckt worden. Mit strengen Maßnahmen, Einreisesperren und Massentests hat das bevölkerungsreichste Land der Erde das Virus weitgehend unter Kontrolle gebracht. Es gibt nur noch ganz wenige, kleinere Ausbrüche. So konnte sich die Wirtschaft auch wieder normalisieren.

Die schon länger verfolgte Stärkung der heimischen Nachfrage in China soll die Exportabhängigkeit reduzieren, erfordert aber strukturelle Veränderungen. So hinkt China beim Anteil des privaten Konsums an der Wirtschaftsleistung hinter entwickelten Ländern her. Die Ausgaben der Haushalte machen in China nur 38,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus, während es in Industrieländern im Schnitt 60 Prozent sind. Um hier aufzuholen, müssten die Einkommen privater Haushalte deutlich steigen und die Kluft zwischen Arm und Reich verringert werden.

Bei allem Drang zur Selbstständigkeit betont die Führung in Peking, dass die Türen für Investitionen und Kapital aus dem Ausland nicht geschlossen werden.

Wachstum trotz Corona

Mit großem Interesse wird auch verfolgt, ob das Parteigremium ebenfalls wieder ein Ziel für das Wirtschaftswachstum vorgeben wird. Der auslaufende Fünf-Jahres-Plan hatte 6,5 Prozent als durchschnittliches jährliches Wachstumsziel gesetzt. Da China das Coronavirus inzwischen im Griff hat, dürfte es als einzige große Volkswirtschaft in diesem Jahr Wachstum verzeichnen. Nach einem starken Einbruch zum Jahresbeginn legte die chinesische Wirtschaft im dritten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bereits wieder um 4,9 Prozent zu. Experten gehen auch davon aus, dass Chinas Wirtschaft in den nächsten fünf Jahren um rund fünf Prozent im Jahr wachsen dürfte. (ag)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2020)

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