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Über Verirrungen in Coronazeiten

Endstation? Bilder von einem Mega-Cruiser-Friedhof in Aliaga bei Izmir gingen durch die Medien. Doch für viele Schiffe ist Corona nicht das Ende.
Endstation? Bilder von einem Mega-Cruiser-Friedhof in Aliaga bei Izmir gingen durch die Medien. Doch für viele Schiffe ist Corona nicht das Ende.(c) REUTERS (UMIT BEKTAS)
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Reisen ins Nichts - sinnlos? Der Weg das Ziel  - eine Absurdität?

Nach dem Covid-Ausbruch im Februar auf der japanischen "Diamond Princess" wähnte man die Kreuzfahrtindustrie mausetot. Verträge wurden gekündigt, Vorbestellungen für den Schiffsneubau gecancelt, Agenturfotos von einem Mega-Cruiser-Friedhof in Aliaga bei Izmir gingen durch die Medien. Genting Cruise hatte die Businessidee. Die Hongkonger Reederei mit Standbein in Singapur erfand für November/Dezember die "Cruises to Nowhere", ganz ohne Landausflüge: Die pure Pazifik-Kreuzfahrt. Geplant sind, wie die Singapurer "Straits Times" berichtete, 23 Touren bei einer Maximalpassagierzahl von 1700, oft nur über ein verlängertes Wochenende, beworben mit dem Schlagwort "Superstaycation" - der Weg sei das Ziel, das Schiff die Destination. Man sollte glauben, eine derartige Urlaubsperversion würde kaum Kunden finden, der Andrang, 6000 Buchungen in den ersten fünf Tagen, überraschte aber selbst den Reeder. Auch bei Royal Caribbean International gehen "Round Trips" inzwischen wie warme Semmeln. Aus Covidgründen sind die Schiffe ja nur halb belegt, man wartet also kürzer auf den doppelten Wodka, der das Masken- und Menschencluster erträglich macht. Ablaufdatum der Reiseform: der erste Covidfall.

Wie unterhalten sich diese sorgsam angefütterten Maskenträger auf Staycation-Reisen? Man treibt sie in Kletterwettbewerbe, über Poollandschaften, in Tarock-, Ikebana- und Yoga-Kurse, zu Minigolf, Kunstversteigerungen, Karaoke, Malen nach Zahlen und Basketball. Man wählt Miss Schiff, Mister Steward. Sogar ein Weihnachtsmusical geht über die Bühne. Die pandemietauglichen "Cruises to Nowhere" sind bestechend in ihrer Sinnlosigkeit, katastrophal für das Klima. Doch sie bieten touristische Lerneffekte: Bereitet Flixbus jetzt Städtetrips ohne Ausstiegsmöglichkeit nach Rom oder Kiew vor, oder gar zu den Demonstrationen in Minsk? Schickt Austrian  Airlines ihre Boeings auf halsbrecherische Alpenflüge um den Großglockner-Gipfel? Trägt sich Uber gar mit dem Gedanken, "Taxi to Nowhere" ins Programm zu nehmen, bei denen die Kunden am Ausgangspunkt wieder abgesetzt werden?

("Die Presse - Schaufenster", Print-Ausgabe, 23.10.2020)

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