Bau

Baustelle am Brennertunnel steht still

Die Vorarbeiten im Brenner-Basistunnel sind im vollen Gange. 160 Millionen Euro wurden verbaut. Im Bild der Tunnelstollen während eines Medientermins im Februar.
Die Vorarbeiten im Brenner-Basistunnel sind im vollen Gange. 160 Millionen Euro wurden verbaut. Im Bild der Tunnelstollen während eines Medientermins im Februar.(c) APA/JAKOB GRUBER
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Die Errichtergesellschaft hat den Vertrag mit dem Baukonsortium nach heftigen Streitereien gekündigt. Wie und wann es weitergeht, ist unklar. Der Tunnel droht ein Milliardengrab zu werden.

Lobautunnel, Semmering-Basistunnel oder Brenner-Basistunnel. Tunnelbau ist in Österreich immer eine komplizierte Sache, die sich gern über etliche Jahre zieht. Die ersten Planungen für den Brenner-Basistunnel starteten 1999. 2030 sollte das Projekt fertiggestellt sein. In der Nacht auf Mittwoch fand es aber vorerst ein jähes Ende. Die Errichtergesellschaft des Brenner-Basistunnels (BBT SE) kündigte den Bauvertrag mit dem von Porr angeführten Konsortium.

Dem vorangegangen ist ein heftiger Streit um die sogenannten Tübbinge. Das sind die Außenringe, die den Tunnelschacht stabilisieren. In der Ausschreibung war die Dicke dieser Ringe mit 40 Zentimetern vorgeschrieben. Porr ist der Meinung, dass diese die Last des Berges nicht tragen können, also dickere benötigt werden. Porr sieht die Schuld beim Auftraggeber, der diese falsch berechnet habe. „Wir sind an die Grenze des gesetzlich und technisch Machbaren gegangen. Wir haben alles getan, um die Probleme mit dem Auftraggeber zu lösen. Dieser hat sich aber zwei Jahre lang gewehrt. Wir hätten es früher eskalieren lassen sollen“, sagt Karl-Heinz Strauss, Vorstandsvorsitzender der Porr AG, zur „Presse“. Man habe sich auf die Vorgaben verlassen.

„Die Annahmen, die der Auftraggeber getroffen hat, waren schlicht falsch. Die Probleme, die sich daraus ergeben, hätte es auch mit jeder anderen Firma gegeben“, sagt Strauss. Die einseitige Auflösung des Vertrags sei aus seiner Sicht rechtswidrig, der Vertrag sei darum weiter aufrecht. Sollte der Auftraggeber sie anweisen, die Arbeiten ganz einzustellen, werde man das tun. Allerdings mit dem Hinweis, dass damit Zeitverzögerung und Kosten einhergehen, die man bei Gericht einklagen werde.

160 Millionen Euro seien bereits verbaut worden. Vier Tunnelbohrer à sechs bis sieben Millionen Euro seien bestellt. Schadenersatz, Gewinnentgang und Anspruch auf Werklohn wolle man ebenfalls geltend machen. „Im Endeffekt wurde um rund 100 Millionen Euro gestritten“, sagt Strauss. Er gehe davon aus, dass dieser Betrag als „Zuschlag“ in der neuen Ausschreibung auch zum Tragen kommen wird. Das Los des Porr-Konsortiums umfasst Aufträge in der Höhe von 966 Millionen Euro.

Vertrauensverluste

Seitens der BBT SE wollte man keine Einzelheiten zu den Streitigkeiten kundtun. Die Tübbinge seien aber nicht das einzige Thema gewesen, hieß es am Mittwoch. Hauptgründe für die Vertragsauflösung seien vielmehr „die endgültige Weigerung der vertraglich zugesagten Leistungen in mehreren Punkten und der nun eingetretene Vertrauensverlust“. Das habe sie „leider dazu gezwungen, die Vertragsbeziehungen mit der Arge H51 aufzulösen. „Um schnellstmöglich den Weiterbau beim Brenner-Basistunnel sicherzustellen, wurde bereits eine vertiefende Analyse des Gesamtprojekts zum Zweck der ehestmöglichen Neuausschreibung in die Wege geleitet“, heißt es von den Vorständen.

Die Landeshauptleute von Tirol und Südtirol, Günther Platter (ÖVP) und Arno Kompatscher (SVP), fordern von der Konzernspitze einen „konkreten Zeitplan“ . Man erwarte sich rasche Klarheit. „Der Brenner-Basistunnel und seine Zulaufstrecken sind und bleiben das Herzstück unserer Verlagerungspolitik am Brennerkorridor“, so Platter und Kompatscher. Der Tunnel müsse so schnell und effizient wie möglich finalisiert werden, um die transitgeplagten Tiroler und Südtiroler zu entlasten.

Die grüne Verkehrsministerin, Leonore Gewessler, wollte sich am Mittwoch nicht zur Entscheidung zur Auflösung des Vertrags äußern. „Konkrete operative Entscheidungen werden vonseiten der BBT SE mit der notwendigen Expertise getroffen und allenfalls im Aufsichtsrat diskutiert und bestätigt“, lautet das offizielle Statement.

„Worst-Case-Szenario“

Die Tiroler FPÖ sprach von einem Worst-Case-Szenario. Auch die Tiroler Neos sprachen von einer jahrelangen Verzögerung und steigenden Kosten. Der SPÖ-Verkehrssprecher, Philip Wohlgemuth, sagte: „Wir können nicht Deutschland jahrelang für Verzögerungen kritisieren und dann selbst Teil der Verzögerungen sein.“ Ein überstürztes Einstellen der Baustelle müsse verhindert werden.
Überstürzt war diese Entscheidung aber wohl weder für die BBT SE noch für Porr. Letztere sagte gegenüber der „Presse“, dass man schon länger mit diesem Schritt gerechnet habe.

Das Projekt

Der Brenner-Basistunnel ist ein österreichisch-italienisches Gemeinschaftsprojekt zum Bau eines Eisenbahntunnels mit einer Länge von 64 Kilometern. Es wäre die längste unterirdische Eisenbahnverbindung der Welt. Erste Machbarkeitsstudien wurden bereits im Jahr 1989 durchgeführt. Baubeginn war im März 2015.

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