Linguistik

Aus dem „Duden“ entfernt: So schöne Wörter lassen wir uns nicht nehmen

Bei jeder neuen Ausgabe des „Duden“ werden viele Einträge entfernt. Das Buch „Was nicht mehr im Duden steht“ ruft sie wieder in Erinnerung. Ein Spaziergang zu einigen Ehrengräbern auf dem Friedhof der toten Begriffe.

Das Neue wird überbewertet. Jedes Mal, wenn der „Duden“ eine aktualisierte Auflage publiziert, redet alle Welt über die zusätzlich aufgenommenen Wörter. Man fühlt sich ungemein fortschrittlich, wenn man sie sogleich in das eigene aktive Vokabular übernimmt (sofern noch nicht erfolgt). Aber niemand hält gefühlvolle Abschiedsreden für jene Ausdrücke, die sang- und klanglos aus der Sprachbibel verschwinden – genauer aus dem gedruckten gelben Rechtschreib-„Duden“. Anderswo mögen sie noch eine Zeit lang mit dem abschätzigen Zusatz „veraltet“ vor sich hin vegetieren, aber für das breite Publikum sind sie damit erledigt. Dabei herrscht beim Aussortieren blinde Willkür: Nur für die Neuaufnahmen gibt es eine statistische Basis, nicht aber für die Streichkandidaten. Also lohnt es sich, das vernichtende Urteil der Sprachwächter kritisch zu hinterfragen.

Auch bei der jüngsten Auflage im August: Wir verstehen ja, dass nicht einmal mehr im sentimentalen Groschenroman der Rittersmann sein Ehegespons verlässt, um eine Kammerjungfer zu beweiben. Aber die lästige Eigenschaft der Grillenhaftigkeit gibt es hienieden doch weiterhin allzu häufig, und auch unter dem Fürwitz vorlauter Kinder leiden wir wie eh und je. Sicher selten gebraucht, aber unverzichtbar ist auch das Schweißtuch – wie sagen wir sonst künftig zu dem Ding der Veronika im Petersdom? Und der Türhüter ist uns aus Kafkas schönster Parabel viel zu vertraut, als dass wir ihn nicht vermissen würden. All dies ist nunmehr weg – und darob sind wir ziemlich betroffen, wie auch über die Entfernung von „darob“.

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