Das US-System hat bei vielen Chinesen zuletzt an Faszination eingebüßt – vor allem wegen Donald Trumps Versagen in der Coronakrise.
Im Pekinger Stadtzentrum ist die Macht der Vereinigten Staaten auf beeindruckende Weise in Stein und Beton zementiert: Hinter einer mannshohen Mauer ragt die überdimensionale Botschaft über 15 Stockwerke in den Himmel, das Gelände erstreckt sich über vier Hektar Land. Passanten werden auf Schritt und Tritt von schwarzuniformierten Sicherheitsbeamten beäugt. Doch die architektonische Machtdemonstration täuscht nicht darüber hinweg, dass die US-chinesischen Beziehungen derzeit so angespannt sind wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Der Grund dafür sitzt höchstpersönlich im Weißen Haus: Donald Trump hat die Volksrepublik nicht nur rhetorisch angegriffen wie kaum ein zweiter Präsident vor ihm, er bot Peking auch erstmals wirtschaftlich Contra mit seiner Strategie der Entkoppelung: Unterbrechungen der Lieferketten, Strafzölle und Exportverbote sollen das Reich der Mitte in Schach halten.
Oberflächlich betrachtet dürfte man also meinen, dass die Sympathien unter der Kommunistischen Partei Chinas bei der kommenden US-Präsidentschaftswahl klar verteilt seien: auf der einen Seite der zutiefst verhasste Trump, auf der anderen ein weitaus diplomatischer Politiker wie Joe Biden, der von Chinas Staatschef, Xi Jinping, noch im Jahr 2013 als „lao pengyou“ bezeichnet wurde – eine Redewendung, die sich am besten mit „alter Freund“ übersetzen lässt.