Im Kino

„Das schaurige Haus“: Es spukt in der Kärntner Einöde

Grusel mit Krachlederner und Dirndl: Léon Orlandianyi und Marii Weichsler sind tolle Jungdarsteller.
Grusel mit Krachlederner und Dirndl: Léon Orlandianyi und Marii Weichsler sind tolle Jungdarsteller.(c) Filmladen
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Ein Mystery-Thriller für nervenstarke Kinder: In „Das schaurige Haus“ von Daniel Prochaska, gedreht in Bad Eisenkappel, mischen sich das Idyllische und das Bedrohliche.

Kärntner Bergsommer, was gibt es Schöneres, auch abseits von Coronazeiten? Doch der 16-jährige Hendrik, der mit seiner Mutter, Sabine, und seinem achtjährigen Bruder, Eddi, von Hannover ins kärntnerische Bad Eisenkappel übersiedelt, ist alles andere als glücklich in der Einöde. Das Internet funktioniert nicht. Ein paar ältere Burschen mobben und schlagen Hendrik auf die Nase, der lokale Dialekt ist unverständlich, beim Greißler gibt es keine Brötchen, sondern nur Semmeln – und zu allem Überfluss spukt es in dem alten Haus, das die kleine Familie bezieht, die nach dem Unfalltod des Vaters in Trauer versunken ist.

Daniel Prochaskas „Das schaurige Haus“ ist eine Mischung aus slawischem Schauermärchen und modernem Mystery-Thriller. Der Beginn des Films erinnert an Oscar Wildes „Das Gespenst von Canterville“. Der fesche, aber auch undurchsichtige Makler führt Mutter Sabine und die Buben durch das Haus und verweist auf einen abgesperrten Dachboden, unter der Tür flackert Lichtschein. Auf dem Friedhof stoßen die Jungen auf ein Kindergrab. Eddie beginnt zu schlafwandeln, Hendrik und Sabine werden von Albträumen heimgesucht, in denen eine Frau mit blutigem Mund die Dachbodentreppe herunterwankt.

Die abweisende Nachbarin, Frau Seelos, scheint etwas zu verbergen, die Kids-Gang, mittlerweile erweitert durch den pfiffigen Fritz („Ich heiße Friedrich, aber Fritz klingt cooler“) und die hübsche Ida, die Slowenisch spricht, bricht in Seelos' Haus ein und wird dabei von der Besitzerin ertappt. Aber, belehrt Ida Hendrik, in einem kleinen Dorf ruft man nicht gleich die Polizei. Das geschieht erst, nachdem sich die Anzeichen verdichten, dass ein jahrzehntelang zurückliegender Mord der falschen Täterin angelastet wurde und somit ungesühnt blieb.

Verliebte Kinderdetektive

„Das schaurige Haus“ schwelgt in Bildern der bezaubernden Kärntner Naturlandschaft, der Film führt in die Obir-Höhlen, wo Sabine einen Job gefunden hat. Es gibt heitere Szenen, wenn sich Hendrik, Fritz und Ida im Stil der erfolgreichen Kinder-Krimis „Die drei ???“ als Detektive betätigen. Dabei verlieben sich Hendrik und Ida ineinander. Je mehr sich die Story jedoch verwickelt, umso gruseliger wird der Film. Er ist eher nervenstarken Kindern zu empfehlen, acht bis 14 Jahre ist die Zielgruppe. Achtjährige dürften sich eher fürchten. Allein der Sound und die Musik (Karwan Marouf) befördern Gänsehaut, ein harmloser Kinderfilm ist „Das schaurige Haus“ nicht.

Basis der Geschichte ist im Übrigen ein Buch der deutschen Autorin Martina Wildner (2011), das im Allgäu spielt.

Skurrile Typen kippen Schnaps

Für sein Kinodebüt konnte Daniel Prochaska, Sohn von Andreas Prochaska („Das Boot“), ein ausgezeichnetes Ensemble versammeln: Léon Orlandianyi (Hendrik), Benno Roßkopf (Eddie), Lars Bitterlich (Fritz), Marii Weichsler (Ida), Julia Koschitz (Sabine), Inge Maux (Frau Seelos). Für einen Knalleffekt zum Schluss sorgt Elfriede Schüsseleder (bekannt aus dem Theater in der Josefstadt) als irre Alte.

In das abgelegene Bad Eisenkappel möchte der Zuseher dieses Films gleich reisen, was wohl im Sinn der Werbung für Urlaub zu Hause ist, die derzeit so stark blüht. Die Heimattümelei – mit dem Slogan „Wer uns erdet“ lockt etwa eine Lebensmittelkette – war schon vor Corona da und wäre ästhetisch und politisch eine Untersuchung wert. Prochaskas Film ist unverdächtig in puncto rechter Propaganda. Aber natürlich tummeln sich rund um das „Schaurige Haus“ viele markante, skurrile Typen, die gern Dirndl und Krachlederne tragen, die Männer kippen Schnaps. In diesem eigentlich zeit- und ortlosen rustikalen Milieu mischen sich das Idyllische und das Bedrohliche, ja Brutale (man erinnere sich an Andreas Prochaskas Alpenwestern „Das finstere Tal“). „Knietief in der Erden“ nennt der Kärntner diesen Zustand von Heimatliebe. Von fernher echot im „Schaurigen Haus“ und seiner Umgebung aber auch Maja Haderlap mit ihrem Roman „Engel des Vergessens“, der ein Lot in die düstere Vergangenheit der Kärntner Slowenen warf.

Insofern hat „Das schaurige Haus“, das sich eher aus zeitgenössischem Fantasy-Entertainment speist, eine durchaus literarisch-poetische österreichische Komponente.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2020)

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